Unternehmen Vendetta
hatte nicht vor…«
»Ach was!«, sagte Carl. »Es ist nicht der Rede wert. Geschehen ist geschehen. Außerdem war es nicht sonderlich klug, sich in so ein Stadtviertel zu begeben.«
Sie hielten ein paar Minuten das hohe Tempo und waren bald wieder in der Via Roma in der Nähe des Hotels. Der Schweiß lief ihnen an den Unterarmen entlang, als sie das Hotel betraten, den Marmorfußboden der großen Halle überquerten und der alten Lieblingsbar Lucky Lucianos zustrebten.
Die Bar war völlig menschenleer. Nur die Klimaanlage rauschte. Sie bestellten zwei Bier, die sie mit wenigen kräftigen Schlucken leertranken. Anschließend versuchten sie mit Hilfe der Zeichensprache neue Biere zu bestellen, worauf der Barkeeper ihnen in perfektem Englisch antwortete und fragte, ob sie Carlsberg oder ein anderes Bier oder wieder das gleiche haben wollten.
»Wo hat Luciano gesessen?« fragte Carl lächelnd und sah sich in der Bar um. »Wie heißt du übrigens?«
»Mein Name ist Totti. Nun, Lucianos Separee ist das blaue Zimmer hier nebenan. Damals hatte es jedoch rote Seidentapeten. Darf ich es vielleicht zeigen?« erwiderte der Barkeeper mit einer einladenden Geste. Sie standen mit den Biergläsern in den Händen auf und inspizierten den blauen Salon nebenan. Es war dunkel und etwas stickig da drinnen, aber völlig menschenleer.
»Wir sind Schweden. Mein Name ist Hamilton, und das hier ist Lundwall«, sagte Carl, als sie sich wieder auf ihre Plätze gesetzt hatten. Der Barkeeper übte den Namen Lundwall unter ihren nachsichtigen Blicken dreimal und stellte ihnen dann je ein drittes Bier hin, das, wie er erklärte, auf Rechnung des Hauses gehe. Dann zog er sich mit einer Verbeugung zurück.
Carl betrachtet eine Zeitlang den Fußboden. Er war aus geädertem Marmor. Er sah aus wie altes Elfenbein mit einem Karomuster aus klargrünem Marmor, sehr schön. Einen solchen Fußboden hätte er gern, vielleicht sollte er so etwas für die neue Wohnung bestellen. Falls Eva-Britt ausziehen wollte, und falls…
»Wie sollen wir uns heute abend anziehen? Übrigens glaube ich, daß wir uns allmählich vorbereiten sollten«, unterbrach Joar Carls Gedankengang.
»Wie? Ach ja, natürlich, dunkler Anzug und Krawatte, das Schlimmste, was man sich bei dieser Hitze nur vorstellen kann.«
»Ist das wirklich notwendig? Wir sind doch nur Schweden.«
»Ein Essen bei einem italienischen Oberst? Doch, ich habe schon den Verdacht, daß alles andere außer dunklem Anzug und Krawatte zu einer reinen Beleidigung würde. Allerdings werden wir ins Schwitzen geraten, wenn wir losgehen, da hast du recht.«
Joar Lundwall kippte den Rest seines Biers runter, sah vielsagend zur Uhr und erhob sich.
»Ich gehe nach oben, dusche und ziehe mich um. Wir sehen uns um elf Minuten vor zehn. Ich komme von Süden oder Westen, du von Norden oder Osten«, sagte er und ging, ohne eine Antwort abzuwarten.
Carl nickte Joars Rücken bestätigend zu. Er war mit den Gedanken schon wieder ganz woanders. Dann unterschrieb er die Rechnung, legte einen Geldschein auf den Tisch und ging auf sein Zimmer. Nichts war gestohlen. Das Zimmer war nicht durchsucht worden.
Zwanzig Minuten später verließ Joar Lundwall das Hotel durch den Haupteingang und bog nach links ab. Er zog sich sein Jackett aus, hängte es sich über die Schulter und lockerte den Krawattenknoten. Es würde unmöglich sein, vierzig Minuten lang zu gehen, ohne schweißnaß und klebrig zu werden. Es gab jedoch keine Möglichkeit, dem Treffen zu entgehen. Er bog erneut nach links ab und begann, ein paar Einbahnstraßen hinaufzugehen, bog dann aus dem Gedächtnis nach rechts in die Via Principe di Belmonte ein, die zur Hälfte Fußgängerstraße voller Straßencafés war; damit war es nicht mehr möglich, ihn mit einem Wagen zu verfolgen.
Die Straßencafés waren voll besetzt. Joar kam es vor, als wäre das Leben in der Stadt nach der Hitze des Tages aufgeblüht. Überall waren Lachen und Stimmengewirr zu hören. Es herrschte ein großes Gedränge, und soweit er sehen konnte, befand sich hier kein einziger Ausländer oder auch nur jemand, der wie ein Tourist wirkte. Vielleicht fiel er jetzt nicht einmal in seinem dunklen Anzug auf. Dunkle Anzüge waren hier reichlich vertreten, ebenso weiße Hemden und Krawatten. Die Italiener lieben es wohl nicht salopp, dachte Joar.
Er bewegte sich wegen der Hitze nur langsam, vermied es, sich umzusehen und versuchte statt dessen, an etwas anderes als an Palermo und die Mafia zu
Weitere Kostenlose Bücher