Unternehmen Vendetta
versuchten, sich durch den Text auf einem gelben Metallschild unter einer Glocke durchzubuchstabieren und ihn zu deuten.
»Dalle ore 8 alle 12, e dalle ore 14 alle 16«, murmelte Carl.
»Bedeutet das nun, daß zwischen diesen Zeiten offen oder geschlossen ist?«
»Spielt für uns jedenfalls keine Rolle«, grinste Joar und zeigte auf das primitive Schloß der grauen Stahltüren. »Wir sollten uns diesen Ausgang ansehen, wenn wir das nächste Mal das Hotel verlassen.«
»Ja, er dürfte irgendeine Verbindung mit dem Hof und dem Personalfahrstuhl hinter meinem Zimmer haben«, murmelte Carl und zuckte die Achseln.
Auf der anderen Seite des Straßenblocks hatte das Hotel einen weiteren Seiteneingang, der zu einem Restaurant führte, das wiederum mit der Halle und dem Haupteingang verbunden war. Es war leicht, sich das alles einzuprägen.
Dann gingen sie stadteinwärts, um die Piazza Verdi zu suchen. In der Via Ruggero Settimo, einer großen Geschäftsstraße, fanden sie eine Buchhandlung. Eine recht große. Joar schlug vor, sie sollten versuchen, die in Stockholm nach dem Zufallsprinzip zusammengekaufte Literatur ein wenig zu ergänzen.
Es war eine moderne Buchhandlung mit einer Klimaanlage, die kühle Luft verströmte. Von Büchern in begreiflichen Sprachen war jedoch nichts zu sehen. Carl und Joar fanden zwar eine ganz kleine Abteilung mit blutigen Umschlägen und vielsagenden Rubriken, die genau das Thema behandelten, in dem sie sich weiterbilden wollten, doch es war alles auf italienisch. Als sich herausstellte, daß der Geschäftsführer Französisch sprach, erfuhren sie auch, daß englische Bücher über Sizilien in ganz Palermo überhaupt nicht zu haben seien. Möglicherweise in Rom oder Mailand.
»Er sagte Milano etwa so, als hätte er damit Bagdad gemeint«, schnaubte Joar, als sie wieder in der Hitze auf der Straße standen.
»Ja. Wahrscheinlich werden wir uns damit begnügen müssen zu lesen, wie es der Mafia in den dreißiger Jahren in einem sizilianischen Dorf erging. Erzähl mir, was du gelesen hast«, knurrte Carl. Er konnte für den intellektuellen Teil ihres Vorhabens keinerlei Begeisterung aufbringen. Für einen anderen Teil allerdings auch nicht, wie er sich erinnerte.
Während sie um den abendlichen Treffpunkt herum, an dem ein Wagen mit der Zahl dreizehn im Kennzeichen sie elf Minuten vor zehn Uhr abholen sollte, das Gelände erkundeten und sich darauf einigten, welche verschiedenen Wege zum Treffpunkt denkbar waren, erzählte Joar von dem, was er gelesen hatte.
Unter anderem wohnten sie im Lieblingshotel der Mafia. Das Grand Hotel et Des Palmes war beispielsweise Schauplatz der großen Konferenz von 1957 gewesen, als die amerikanische und sizilianische Mafia sich zum ersten Mal trafen, um die Welt zwischen sich aufzuteilen. Die Konferenz hatte in der Sala Wagner im ersten Stock stattgefunden; Richard Wagner hatte seine letzte Oper Parsifal in diesem Hotel geschrieben. In der Bar solle sogar noch sein Klavierhocker stehen, wie Joar erklärte.
»Nun, zurück zum Thema. Lucky Luciano hatte nach seiner Ausweisung aus den USA, nachdem er sich hier in Palermo niedergelassen hatte, eine ganze Abteilung der Bar für sich requiriert. Das war sein Lieblingsplatz. Wir können sie uns ja ansehen, wenn wir wieder im Hotel sind. Jedenfalls gibt es keinen Zweifel, daß das Hotel historischer Boden ist. Angesichts unserer bis jetzt unbekannten Gastgeber wahrscheinlich eine sehr gute Wahl.«
Carl runzelte die Stirn. Ihm wurde immer unbehaglicher zumute, als Joar seine wenigen geschichtlichen Kenntnisse und sein etwas umfangreicheres Wissen über die militärische Taktik der Mafia darlegte, das, was er bisher hatte herausfinden können.
Der Feind war also in höchstem Maße real. Carl erkannte, daß es wohl höchste Zeit war, alle vorgefaßten Meinungen über Legenden und Gangsterromantik aufzugeben. Derlei gab es nur im Kino, aber nicht in Palermo. Allein schon eine kalte Zahl, tausend Morde im Jahr, war überzeugend genug.
Sie bewegten sich in einem Zickzackmuster zum Hotel zurück, da die Hitze und der mehrstündige Spaziergang schon jetzt an ihren Kräften zu zehren begannen und der Besuch in Lucky Lucianos Lieblingsbar zu einer immer verführerischeren Vorstellung wurde.
Sie kamen jedoch zu dem Schluß, lieber doch noch ein paar Runden auf den Straßen unterhalb des Hotels zu drehen und in Richtung Hafen zu gehen. In der Richtung, in der sie sich zunächst bewegt hatten, hatten sie meist
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