Unternehmen Vendetta
Auf der einen Seite das Meer, zumindest die innere Bucht, also Wasser, und auf der anderen Seite ein Halbkreis hochgelegener Häuser mit mindestens zweihundert Fenstern, die von Wäscheleinen oder Fensterläden mehr oder weniger verdeckt waren. Die Schußentfernung würde in keinem Fall hundert Meter übersteigen.
»Hier stehen wir vielleicht gut«, grinste Carl, dem es nicht schwerfiel, Joars Gedanken zu lesen. Sie hatten ja das gleiche gesehen.
»Wirklich«, sagte Joar. »Hier stehen wir tatsächlich gut, aber wir dürfen wohl annehmen, daß du recht hast und sie nur mit uns reden wollen. Ich meine, weil wir noch immer heil und unversehrt hier herumstehen.«
Sie musterten die Touristen, die auf den Bootsanlegern herumspazierten. Fast alle schienen Italiener zu sein. Sie sahen über den Hecks der Segelboote nur italienische Flaggen sowie majestätische Motorboote, die nach europäischen oder amerikanischen Maßstäben von Erfolg im Leben kündeten.
Sie entdeckten gleichzeitig auch den dunkelblauen Wagen, der sacht auf sie zurollte. Es war ein Fiat Croma, wie sie jetzt feststellen konnten. Die beiden Männer auf den Vordersitzen trugen dunkle Brillen und dunkle Anzüge, und als sie mit selbstverständlicher Nonchalance neben Carls und Joars Wagen geparkt hatten und ausstiegen, sahen sie genau so aus, wie man erwarten konnte, zumindest wenn man eine auf Gangsterfilmen beruhende Vorstellung davon hatte, wie mafiosi auszusehen haben.
Sie waren in der gesamten Umgebung die garantiert einzigen Männer in dunklem Anzug und Krawatte, und diese Umgebung reagierte denn auch mit unsichtbaren Signalen, die sich wie elektrische Wellen bemerkbar machten. Hier gab es keinen Zweifel.
Die beiden Männer schlenderten demonstrativ gemächlich zu Carl und Joar hin, die beide mit vor der Brust verschränkten Armen warteten und keinerlei Neigung erkennen ließen, sich aus ihrer bequemen, an den Wagen gelehnten Haltung aufzurichten.
Als die beiden nur noch einen Meter entfernt waren, blieben sie stehen und verharrten so eine Weile, als wollten sie Carl und Joar Furcht einjagen oder mit übertriebener Deutlichkeit demonstrieren, daß man einander jetzt gefunden hatte. Sie schienen zwischen fünfundzwanzig und dreißig Jahre alt zu sein. Beide waren frisch rasiert und rochen nach Parfüm oder Rasierwasser.
»Willkommen in Castellammare del Golfo«, sagte der eine, der zehn Zentimeter vor dem anderen stand, nahm langsam die Sonnenbrille ab und fixierte Carl, während er gleichzeitig die Hand zum Gruß ausstreckte. »Mein Name ist Giulio. Sie können mich so nennen, Mr. Hamilton.«
Als sie die Hände schüttelten, erkannte Carl, daß der Mann, der sich Giulio nannte, mit etwas Schwererem bewaffnet war als einer gewöhnlichen Pistole.
Eine kleinere Maschinenpistole, Berettas Mini-Modell oder eine UZI, dachte Carl, während er dem Mann die Hand schüttelte.
»Sie können mich Mr. Hamilton nennen, das geht schon in Ordnung. Und dies ist mein Mitarbeiter Mr. Lundwallo«, erwiderte Carl mit einem feinen Lächeln über Joars plötzlich aufkeimende Gereiztheit.
»Sie scheinen ein guter Fahrer zu sein, Mr. Hamilton«, sagte der Mann mit dem angeblichen Namen Giulio. »Dies ist mein Mitarbeiter, und er heißt Roberto.«
»Ausgezeichnet«, erwiderte Carl, ohne die Körperhaltung zu ändern. »Und was machen wir jetzt?«
»Wir haben es nicht mehr weit, wir nehmen Ihren Wagen«, erwiderte Giulio leichthin und öffnete die hintere Tür des Alfa Romeo, während er den Rest der Gesellschaft mit einer einladenden Geste bedachte.
Carl ging um den Wagen herum und setzte sich auf den Fahrersitz, ohne etwas zu sagen. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit nahm Joar auf dem Rücksitz neben dem mit einer Maschinenpistole bewaffneten Giulio Platz. Der Mann namens Roberto erweckte einen kurzen Augenblick lang den Eindruck, als hätten ihn die anderen im Stich gelassen, bis ihm aufging, daß noch ein Platz da war.
»Okay, Sie scheinen ein gutes Englisch zu sprechen. Wohin fahren wir?« fragte Carl und setzte den Wagen zurück.
»Wenn man in Brooklyn geboren ist, fällt einem das nicht allzu schwer«, erwiderte der Mann namens Giulio mit einem Lächeln. »Fahren Sie einfach den gleichen Weg zurück, auf dem Sie hergekommen sind, und biegen Sie dann nach Trapani ab.«
Carl folgte den Anweisungen, und sie fuhren eine Zeitlang in dem träge dahinfließenden Autostrom inmitten der Touristen aus der Stadt.
»Es ist Mittagszeit, dann ist es hier immer
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