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Unternehmen Vendetta

Unternehmen Vendetta

Titel: Unternehmen Vendetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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ausgehungert sein, wenn ich an diese Verspätung denke. Es ist ja bald drei, und ich nehme an, daß keiner von uns einen Bissen zu sich genommen hat«, erwiderte Don Tommaso, der schon herzhaft aß.
    »Nun ja«, sagte Carl übertrieben reserviert, »wir sind ja Skandinavier. Erstens ist es bei uns zu Hause nicht so warm, zweitens essen wir nicht wie Sizilianer, und drittens haben wir gestern abend bei der Polizei in Palermo ein spätes, aber sehr reichhaltiges Essen erhalten.«
    Carl steckte sich eine Olive in den Mund und tat, als hätte er soeben etwas ganz Selbstverständliches gesagt.
    Joar hätte sich um ein Haar verschluckt. Don Tommaso verzog keine Miene.
    »Aha. Demnach haben Sie Ihre ersten Kontakte mit unserer Küche schon hinter sich. Dürfte ich dann vielleicht um einen jungfräulichen Eindruck bitten«, sagte Don Tommaso mit einem so sanften Tonfall, daß es sich in der flirrenden Hitze sehr kalt anhörte.
    »Die Zutaten sind erstklassig, Kräuter und Gewürze ausgezeichnet, aber das Olivenöl und das Tomatenmark neigen dazu, alles zu überlagern. Ich würde diesem marinierten Tintenfisch wahrscheinlich den Vorzug geben. Der Rotwein, den wir gestern bei der Polizei getrunken haben, war vielleicht ein wenig einfach, und ich wüßte gern, wie Ihr sizilianischer Weißwein schmeckt«, erwiderte Carl scheinbar munter, spießte einen kleinen Tintenfischarm auf einen Zahnstocher auf und sog ihn geräuschvoll in sich hinein, bevor er ihn zerkaute und seinem Gastgeber wohlwollend zunickte.
    Don Tommasos großes, grobes Gesicht wirkte jetzt wie das eines Bluthunds, da die Augen so tief in der Haut versanken, daß man kaum noch seinen Blick sehen konnte. Es hatte den Anschein, als hätten sich die Augen ganz einfach in dünne Striche verwandelt. Er streckte sich langsam nach einem Telefon aus, das auf dem Stuhl neben ihm lag, wählte eine Nummer und sah den munter drauflosmümmelnden Carl unverwandt an, während er dem kleinen Mädchen fast nachdenklich über die Zöpfe strich.
    Als sich am anderen Ende jemand gemeldet hatte, erteilte Don Tommaso einige schnelle Befehle. Carl schnappte etwas auf wie »Weißwein«, »den besten im Haus«, aber auch »sizilianischer, verdammt noch mal«. Dann legte der Riese langsam den Hörer auf und starrte Carl kurz an, bevor er etwas sagte.
    »Möchten Sie vielleicht ein Glas Champagner, Comandante?«
    »Nein, besten Dank. Ich finde, daß man sich auf Reisen an die lokalen Weine halten soll, und im Augenblick versuche ich, mich mit Sizilien vertraut zu machen«, erwiderte Carl in demselben erzwungen ungezwungenen Gesprächston wie zuvor, während er Joar gleichzeitig unter dem Tisch einen leichten Fußtritt versetzte und mit entzückter Miene ein Stück Tintenfisch hochhielt.
    Joar begann zögernd zu essen.
    »Wissen Sie, Comandante, ich muß gestehen, daß ich in der amerikanischen Presse viel über Sie gelesen habe, was mir nicht gefallen hat. Ich habe nämlich bis vor kurzem in den USA gewohnt.«
    »Hoffentlich nichts, was unsere Zusammenarbeit negativ beeinflussen könnte«, erwiderte Carl und hielt gleichzeitig sein Weinglas hoch, ohne den Mann anzusehen, der sich von hinten näherte, um ihm einzuschenken. Als Carls Glas gefüllt war, bedankte er sich gemessen und probierte den Wein mit Genuß. Er überlegte kurz und nippte dann erneut.
    »Das habe ich schon immer gesagt«, stellte er mit einem leichten Schmatzen fest. »Man soll sich an die lokalen Weine halten. Leicht, fruchtig, erfrischend. Ich muß Ihnen zu diesem außerordentlichen Wein gratulieren, Don Tommaso. Er ist besser als alle norditalienischen Weine, die ich gekostet habe. Allerdings muß ich gestehen, daß ich kein Kenner italienischer Weine bin.«
    »Welche Weine sind Ihnen am vertrautesten?« fragte Don Tommaso mit nicht mehr vollkommen verborgener Feindseligkeit.
    »Kalifornische und dann natürlich französische. Was hat Ihnen in der amerikanischen Presse nicht gefallen?«
    Carl stellte das Weinglas ab und schob den Teller ein Stück von sich, um zu demonstrieren, daß er eine Antwort erwartete, die ein wenig über Small-Talk-Niveau lag.
    »Im Time Magazine waren Sie im vorigen Jahr Mann des Jahres. Unter anderem wurde behauptet, Sie hätten sich in die Höhle des Löwen, oder sollte ich lieber sagen des Bären begeben, nach Moskau, wo Sie einen schwedischen Überläufer erledigt hätten. Das stand jedenfalls in der Presse.«
    »Sie dürfen nicht alles glauben, was in den Zeitungen steht, Don Tommaso«,

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