Unternehmen Wahnsinn
verliert er die ersten drei, kommt er erst gar nicht zum Arbeiten. Die »richtigen Resultate« verweisen scheinbar darauf, dass genau er es war, der sie ursächlich produziert hat. Auch wenn er erst seit drei Wochen auf dem Platz respektive in der Abteilung ist. Ein bestimmtes Ergebnis wird als Folge seines »Wirkens« gesehen – und es wird genau dadurch zum Grund dafür, dass er einen kleinen Vertrauensvorschuss und etwas Zeit bekommt, um dann tatsächlich das ein oder andere konsequent anpacken zu können.
Das ist die klassische Verwechslung von Ursache und Wirkung, die gern auch im Misserfolgsfall zur Anwendung kommt. Im Zuge der jüngsten Finanzkrise erwischte es manche neu in Funktion Gekommenen besonders kalt: Sie mussten ihren Hut nehmen, den sie doch gerade erst im neuen Büro abgelegt hatten; weil sie in ein Desaster gerieten, das just im Moment ihres Erscheinens aufbrach.
Herr Rosenzweig sagt: Halo!
Phil Rosenzweig 8 widmet ein ganzes Buch dem sogenannten »Halo-Effekt«, einer Art Überstrahl-Effekt, bei dem es um logische Irrtümer und fehlerhafte Schlussfolgerungen geht. Es werden Faktoren zu einem Gesamtgebilde verknüpft, die ursächlich gar nichts miteinander zu tun haben müssen. Bekanntes Phänomen aus dem Alltagsgeschehen: Man lernt einen höflichen und zuvorkommenden Menschen kennen, und (eben deswegen!) traut man ihm auch zu, zuverlässig, verantwortlich handelnd und klug zu sein. Die meisten Menschen tun sich schwer damit, einzelne Eigenschaften unabhängig voneinander zu verarbeiten; wir sind im Wesentlichen darum bemüht, ein konsistentes Gesamtbild zu formen, das ohne Widersprüche auskommt. Darauf bauen Heiratsschwindler und Trickbetrüger ihr Geschäft auf.
Überstrahlungen allüberall
Eine nicht überschaubare Menge an Managementliteratur, Studien und wissenschaftlichen Untersuchungen versucht die hochinteressante Frage zu beantworten, wann und wie ein Manager bzw. ein Unternehmen erfolgreich ist. Rosenzweig straft einen Großteil der so entwickelten und formulierten Checklisten und Erfolgsfaktoren Lügen, er listet stattdessen zahlreiche Beispiele für grobe Denkfehler auf.
So fällt auf, dass die Erfolgs-Ursachenforschung in der Regel aus der Rückschau heraus geschieht. Meist werden »erfolgreiche« Unternehmen untersucht (die Kriterien für »erfolgreich« sind dabei oft verwaschen), weil man da die Geheimnisse und Erfolgsfaktoren vermutet und sie freilegen will. Aber auch bei den als »erfolgreich« definierten Unternehmen überstrahlt ein gutes Ergebnis oft einiges, manchmal Entscheidendes, zum Beispiel seinen Entstehungsprozess. Wo Rauch ist, muss Feuer sein, also wo ein gutes Resultat ist, muss gut gearbeitet worden sein – so heißt die dissonanzfreie Überstrahlung in solchen Fällen.
Konkretes Beispiel: Mit einer Studie will man den Zusammenhang zwischen Teamerfolg und der Qualität der Zusammenarbeit herausfinden und befragt intensiv ein Team. Natürlich ein erfolgreiches Team. Nehmen wir an, dieses Team hat soeben einen Preis für seine Arbeit gewonnen. Wie werden die Teammitglieder das Teamwork wohl beschreiben? Höchstwahrscheinlich ziemlich positiv, vielleicht sogar versöhnlich gestimmt mit denjenigen im Team, mit denen sie sich über Monate hinweg gestritten haben. Diese »Idioten« können im Glanz des Momentes zu tollen Kollegen mutieren, an denen man sich »produktiv gerieben« hat. Die Querelen sind in der Rückschau Zeichen für besonderes Engagement. Und der Chef war nicht etwa beratungsresistent oder hat sich brachial durchgesetzt, sondern sich nicht beirren lassen und letztlich alles genau richtig gemacht.
Unschwer auszurechnen auch, wie die nicht so erfolgreichen Teams und ihre Mitglieder, also die Verlierer nachträglich über ihre Zusammenarbeit sprechen werden. Aber sie werden meist nicht gefragt. Nur die Gewinner dürfen Dinge sagen, wie: Wir haben immer an uns geglaubt, hart gearbeitet und alles gegeben. Das haben die Verlierer möglicherweise ebenfalls – nur stehen sie nicht im Licht oder am Mikro.
Aus solch krummem Holz sind zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen geschnitzt, und sie kommen zu überraschend ähnlichen Schlussfolgerungen, nämlich zu jenen Performancefaktoren, »die« – wie Phil Rosenzweig anmerkt – »den gesunden Menschenverstand unmittelbar ansprechen«, als da wären: eine starke Unternehmenskultur, mutige Ziele, die die Mitarbeiter anspornen, eine experimentierfreudige Atmosphäre, das Streben nach Spitzenleistung,
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