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Unternehmen Wahnsinn

Unternehmen Wahnsinn

Titel: Unternehmen Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theresia Volk
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Dienstleister – fragt den Auftraggeber, was er haben will (wie es aussehen soll, was ein bestimmtes Gerät können soll usw.), dann entwickelt er ein Konzept, wie das gebaut oder bewerkstelligt werden könnte, was der Auftraggeber haben wollte. Das legt er ebendiesem wieder vor, die beiden justieren noch einmal nach, konkretisieren Einzelfragen, entscheiden sich für die beste Variante, dann legt der Zulieferer los und setzt das vereinbarte Konzept um. So weit, so gut, so völlig unwahrscheinlich.
    Im realen Konzernleben wird bereits die erste und grundlegende Frage jeder einigermaßen anspruchsvollen Auftragsklärung, nämlich: »Was brauchen Sie?« nicht mehr beantwortet. Wie soll das neue Produkt aussehen, das die nächste Verkaufsgeneration anführen wird? Was beinhaltet eine zukunftsorientierte Managemententwicklung? Mit welchem Energiekonzept fahren wir am besten? Welcher Geschäftsprozess passt zu unseren Kundenbedürfnissen? Welche Kunden wollen wir gewinnen? Die wichtigsten Fragen werden einfach nicht beantwortet. Entweder weil es wirklich niemand weiß, oder weil man sich darüber nicht einig wird. Das ist nachvollziehbar, denn die Fragen sind nicht trivial.
    Nur schwer nachzuvollziehen ist aber die Umkehrung der Bringschuld: Es ist plötzlich der Auftragnehmer, der – ohne dass er wüsste, was genau von ihm verlangt wird – gefälligst ein überzeugendes Konzept vorzulegen hat, das dem Auftraggeber eine Vorstellung davon gibt, was er wollen könnte. Das wird natürlich so nicht ausgesprochen. Ganz im Gegenteil, wenn der Auftragnehmer zu viel nachfragt, wird ihm schnell vorgehalten, dass man schon irritiert sei und an seiner Kompetenz zweifeln müsse, wenn er noch nicht einmal in der Lage sei, einen allerersten Entwurf zu machen. Still trottet der Zurechtgewiesene von dannen.
    Im Herzen der Ambiguität
    Wer diese Bredouille vermeiden will und etwa erst mit der Arbeit loslegt, wenn der Auftrag klar ist, hat bereits verloren. Nicht nur viel Zeit, auch seinen Auftrag. Mitarbeiter, die mit einer Arbeit erst anfangen wollen, wenn klar ist, was dabei herauskommen soll, stoßen ebenfalls auf den Unwillen ihrer Chefs: Nun delegiere man doch schon einmal wichtige Themen im Vertrauen auf die Kreativität und Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter, dann mögen sie diese auch einsetzen und sich nicht alles vorkauen lassen. Was dabei übersehen wird: Der Chef, der weiß, was er haben will, wird seine Mitarbeiter sehr genau instruieren, dieses exakt so umzusetzen, ohne die geringste Abweichung – nur wo prinzipiell noch die Idee fehlt, da werden immer öfter »die unteren Ebenen« nach vorne geschickt, gerne auch parallel mit derselben unklaren Auftragsstellung: So kann der Chef gut selektieren, welche Rätsellösung ihm am besten gefällt. Und hält sich dabei alle Optionen bis kurz vor zwölf offen. Konkret:
    Lange ist unklar, ob das neue Produkt eher potentielle Neukunden oder Stammkunden ansprechen soll, ob es weltweit oder nur in Europa erhältlich sein wird. Oder: Die jährliche Managementversammlung steht an, es ist aber noch unklar, welche Hauptbotschaft verkündet werden soll (weil man noch nicht einschätzen kann, wie in vier Wochen die interne Stimmung oder die Konkurrenz-Bewegungen oder die mediale Bewertung des neuesten
Produkt-Launchs ausfallen werden) – dennoch muss der dazu passende Film, der traditionell der Vorstandsrede vorausgeht, produziert werden. Die beauftragte Agentur ist Ratespiele dieser Art bereits gewohnt. Es ist nicht der erste Film, den sie entwirft, ohne zu wissen, worauf er am Ende hinauslaufen soll. Das kennzeichnet gute Dienstleister, dass sie in sogenannten ambiguen Situationen handlungsfähig sind. Sprich: dass sie sich von logischen Ungereimtheiten nicht irritieren lassen, sondern frohen Mutes loslegen. Das Risiko, das sie dabei eingehen, ist nicht unbeträchtlich – das Ganze ähnelt einer Lotterie – aber wer nichts wagt, der ist hier nicht zu gebrauchen. Denn auch die begeben sich ins Risiko, die (durch Erfahrung klug) lange nur so tun, als ob sie etwas tun, dabei aber die Ohren offen halten und die Nerven haben, so lange abwarten, bis sich »die Ebene« drüber positioniert. Es kann sein, dass es gelingt, dass sie dann tatsächlich wissen, was entwickelt werden soll. Da sie wenigstens nicht vom vielen Umsonst-arbeiten ausgelaugt sind wie alle anderen, die sich schon wochenlang
im Kreis herumtreiben ließen, können sie und ihr Team in drei 24-Stunden-Schichten Enormes

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