Unterwegs im Namen des Herrn
– Gold Shop »Elez« – Souvenir Giuseppe – Souvenir St. Alliance – Suvenir Shop »Matea« – Souvenirs MIR – Souvenirs Peace – Souvenirs Shop Veritas – Souvenir Primo – Souvenir Holli Nr. 1 – Restoran Lukas – Restoran Trory – Souvenir N. N. – Souvenir Royal – No. 1 von irgendwas. Diese Läden befinden sich auf den von uns einsehbaren 60 Metern der ungefähr 2 Kilometer langen Hauptstraße, und es geht immer so weiter, auf beiden Straßenseiten: das ist Medjugorje.
Der Kellner bringt unaufgefordert weitere Getränke. Wir bedanken uns per Handzeichen, denn unterhalten kann man sich nicht mehr, der Pfarrer flippt jetzt völlig aus.
» SANTO ! SANTO ! SANTO ! HOSAAAAAAANNA ! HOSAAAAAAANNA ! HOSAAAAAAANNA ! PAAAACE ! PAAAAACE ! PAAAAACE ! GESU, TU SEI LA PAAACE ! GESU, TU SEI L’AMORE ! SANTO ! SANTO SANTO ! PAAACE ! PAAACE ! HOSAAAAAAANNA ! HOSAAAAAAANNA ! HOSAAAAAANNA !!!!«
»Heißt das nicht Hosianna?«, schreie ich.
»Ich glaube schon«, schreit Ingo zurück. »Weiß nicht.«
»Aber der singt doch Hosanna, oder?«
»Was?«
»Singt der nicht Hosanna?«
»Weißt du, wie egal … Weißt du, was der mich mit seinem Hosanna kann?«
Ich nehme noch eine Parkemed, und wir zahlen. Auf dem Weg zum Hotel wird mir kurz schwarz vor Augen. Ich bleibe im Schatten vor einem Souvenirshop stehen, bis die Verkäuferin versucht, mir einen bronzenen Jesus mit verzückter Leidensmiene anzudrehen. Mir geht durch den Kopf, dass ich bald auch so aussehen könnte, wenn ich nichts gegen die Angina unternehme.
Den Rest der Strecke lege ich so langsam zurück, dass Ingo Zeit hat, seine Kamera auszupacken und Fotos von den umliegenden Hinterhöfen zu schießen. An einem Stand kaufe ich zwei Flaschen eiskaltes Mineralwasser. Meines trinke ich, ohne abzusetzen, aus.
Vor dem Hotel treffen wir den Reiseleiter.
»Habts euch das Programm für heut angschaut? Ist was für euch dabei?«
»Nein«, sagt Ingo, »wir werden heute Nachmittag nach Split weiterfahren, unsere Reisepläne haben sich geändert.«
Der Reiseleiter schaut an uns vorbei.
»Des Menschen Wille ist sein Himmelreich«, sagt er und wackelt von dannen.
Ingo hat irgendetwas zu besorgen, und ich stelle mich unter die Dusche. Weil ich mich allein wähne, gehe ichsplitternackt ins Zimmer zurück und rubble mir dabei Kopf und Gesicht ab, was meine Sicht natürlich stark einschränkt. Als ich das Badetuch absetze, steht vor mir eine sehr blonde junge Putzfrau und schaut. Man scheint ihr die Zunge herausgeschnitten zu haben, denn sie drückt sich stumm an mir vorbei und zieht die Tür zu. Mich lässt der Zwischenfall eher kalt, mir sind schon weitaus peinlichere Dinge passiert.
Ingo kehrt wenig später mit Batterien für seine Kamera zurück und schimpft über irgendetwas. In Zeitlupentempo packe ich meinen Koffer. Ingo weiß Interessantes über den Liliputaner zu berichten, den offenbar die Fundamentalistenmutter unter ihre Fittiche genommen hat, denn er will sich heute nur von Wasser und Brot ernähren. Weiters ist die Frau mit den Äpfeln und Postkarten beim Arzt, weil sie psychische Probleme hat. Ich höre nicht wirklich zu, mir ist schlecht, außerdem spüre ich das Fieber wieder stärker, und ich hasse Fiebergefühl im allgemeinen, speziell dieses, denn die Hitze im Zimmer und auf der Straße quält mich schon genug. Außerdem bin ich wahnsinnig müde, als ich mich kurz auf das Bett setze, komme ich kaum wieder hoch.
»Nehmen wir das Gepäck gleich mit?«, fragt Ingo.
»Ich nicht, ich mag nicht mit dem Koffer in der Kneipe sitzen.«
»Wäre aber ein schönes Fotomotiv.«
»Ich fotografiere dich gern mit deinen Koffern.«
Als ich vor dem Lift warte, habe ich solche Herzrhythmusstörungen, dass mir die Luft wegbleibt. Die Fundamentalistenmutter steckt den Kopf aus der Tür. Unsere Blicke begegnen sich. Sie schließt die Tür genau in dem Moment, in dem ich mich instinktiv auf sie zu bewege, weil ich dasGefühl habe, gleich umzukippen. Der Lift geht auf, und ich stehe vor Intschu-Tschuna, der einen Schokoriegel futtert und zu Boden schaut.
Für den Weg zum Restoran benötige ich mehr als zehn Minuten, obwohl es keine hundert Meter sind. Ich mache ein paar Schritte, bleibe stehen, atme durch, schaue mich um, rede auf mich ein. Es ist alles gut, du bekommst keinen Herzinfarkt. Du stirbst nicht in Medjugorje. Du stirbst nicht, du lebst. Es rumpelt immer, wenn du Fieber hast. Alles ist gut. Alles wird gut.
Ich weiß, dass das nicht vernünftig
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