Unterwegs im Namen des Herrn
herausrückt. Nein, ich habe kein Rezept. Aber ich habe Schmerzen. Und ich gehe sicher zu keinem Arzt. Sag ihr das bitte.«
Mein Vater wendet sich der hübschen Apothekerin zu und redet auf sie ein. Ab und zu zeigt er auf mich. Die hübsche Apothekerin schaut mich freundlich an und lächelt mich an. Sie fragt etwas, er fragt mich:
»Bist du allergisch gegen Penicillin?«
Ich schüttle den Kopf. Mit strahlendem Lächeln reicht uns die hübsche Apothekerin die Packung über den Tresen. Als ich bezahlen will, schiebt mich mein Vater zur Seite. Er zählt Scheine und Münzen auf den Glasteller, sie lächelt mich an.
»Wenn du das nimmst, darfst du keinen Alkohol trinken, sagt sie.«
»Sag ihr, dass so etwas bei mir auf der einen Seite rein- und auf der anderen Seite rausgeht. Sag ihr, meine Hausärztin sagt, das ist Blödsinn, sie hat alle Antibiotika durchprobiert und dazu literweise gesoffen, das macht überhaupt nichts. Sag ihr, dass mir das alles egal ist, ich will einfach meine Antibiotika und fertig.«
Er spricht mit ihr, sie lächelt mich an und hat nur Augen für mich. Mir ist das Ganze fast peinlich. Dabei habe ich mirseit vier Tagen den Kopf nicht rasiert, ich habe schon einmal besser ausgesehen. Aber dieser guten, netten Tochter des Landes gefalle ich offensichtlich sehr. Ich verabschiede mich auf Kroatisch, was sie sichtlich erfreut.
»Hast du der denn gesagt, dass ich ihr gleich die Bude zusammenhauen werde?«, frage ich vor der Tür.
»Nein.«
»Aber was hast du ihr denn gesagt?«
»Dass du der berühmteste Schriftsteller von Österreich bist. Du schreibst etwas über Medjugorje und bist krank geworden.«
Wortlos kämpfe ich mich durch die Hitze zum Restoran und schlucke ein Antibiotikum.
»Sie hat aber gesagt, Alkohol …«
Energisch hebe ich die Hand. Mein Vater wendet sich ab und beginnt Denis mit den Feigen zu terrorisieren.
Nun entspanne ich mich ein wenig. Fast möchte ich sagen, ich fühle mich wohl. Nicht einmal das gnadenlose Gesicht der jüngsten Fundamentalistin, das von der Straße zu mir herüberleuchtet, kann mich aus der Ruhe bringen. Ich habe einen Berg Tabletten, ein Auto, das mich hier rausbringt, und ein Flugticket nach Wien. Die Kirchenglocken, die in diesem Moment hinter mir zu läuten beginnen, deprimieren mich nicht mehr so sehr wie noch am Vormittag. Nur hätte ich nach mehr Schmerzmitteln fragen sollen, die Parkemed schlagen nicht richtig an.
Mit ohrenbetäubendem Gejaule des Pfarrers beginnt die Messe, weithin schallt es über die Straße. Mein Vater zuckt zusammen.
»Oh Gott, was ist denn das?«
Ich bin zu müde, um etwas zu sagen. Ingo fällt auchnichts ein. Wir sind an unserem vorläufigen körperlichen Tiefpunkt angekommen. Psychisch geht es indes wieder aufwärts. Ich bestelle eine Runde Bier, wohl wissend, dass ich gezwungenermaßen die Gläser der Frauen selbst austrinken werde. Ich schließe kurz die Augen und döse tatsächlich für ein paar Minuten ein, ohne dass mich jemand weckt.
Als ich die Augen wieder öffne, steht vor mir ein doppelter Schnaps von meinem Kellnerbruder. Ich trinke das Glas in einem Zug aus und lasse mir vom Spender auf die Schulter hauen. Ich habe das Gefühl, die Realität sei irgendwie verschoben. Die Menschen wirken nicht echt. Die Luft flimmert. Es ist heiß. Ich bin am heißesten Ort der Welt.
»Also, ich habe mit Ivica gesprochen«, sagt mein Vater, als der Lautsprecherpfarrer kurz verstummt. »Er freut sich auf euch. Wir treffen uns in Split. Er nimmt euch dann zu sich mit nach Hause. Er hat ein großes Haus. Ein paar Freunde wollen euch kennenlernen.«
Ingo räuspert sich. »Wir könnten Tomy fragen.«
»Wer ist Tomy?«, fragt mein Vater.
»Unser Wirt«, erkläre ich. »Unser Wiener Wirt. Du kennst ihn.«
»Der ist in Split?«
»Das habe ich dir doch gestern alles schon dreimal erzählt! Wir wollten ja dort schlafen, aber du hängst uns diesen Ivica an!«
»Ihr könnt nicht zu Tomy! Das würde Ivica beleidigen! Er hat schon Freunde eingeladen, wie steht er dann da? Wie stehe ich da?«
»Oh mein Gott«, sage ich nur, und dann sage ich lange nichts mehr.
Der Pfarrer legt wieder los. Denis, Nina und Dita wollen mit dem Taxi zurückfahren. Mein Vater springt hoch, als hätte ihn etwas gestochen, und rennt zum Taxistand, wo er mit den Fahrern um den Preis schachert. Mit saurer Miene kehrt er zurück, trinkt ein Bier und geht wieder zu den Taxis.
Ich unterhalte mich mit Dita. Sie erzählt mir von ihren letzten Monaten,
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