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Unterwegs in der Weltgeschichte

Unterwegs in der Weltgeschichte

Titel: Unterwegs in der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Christian Huf
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Als Erbe der königlichen Macht hatte er sich damit gequält, Philosophie und Militarismus unter einen Hut zu bringen. Als Feldherr überlebte er die vielen dramatischen Jahre auf blutigen Schlachtfeldern nur knapp. Und als desillusionierter Misanthrop war er zuletzt in dem abgewetzten Lehnsessel im Arbeitszimmer ebendieses Schlosses am 17. August 1786 gestorben. Kinderlos und einsam, verbittert, aber tolerant wie kein anderer Herrscher seiner Zeit. Großen Respekt hatte er sich erworben, nicht aber immer Zuneigung. Was der Dichter Christoph Martin Wieland kurz vor dem Tod des Monarchen schrieb, war vielen Zeitgenossen aus der Seele gesprochen: »König Friedrich ist zwar ein großer Mann, aber vor dem Glücke, unter seinem Stocke zu stehen, bewahre uns der liebe Herrgott!«
    Dabei hatte er alles versucht. Zeitlebens wollte er mehr sein als bloß ein gefürchteter Despot. Wollte Philosoph und Künstler sein. Diener seines Staates. Vater seiner Untertanen. Aber heute fragen wir noch viel skeptischer, als es damals die Zeitgenossen taten: Können Moral, Kunst und Liebe mit Politik überhaupt zusammengehen?
    Vom preußischen König Friedrich II. dem Großen, dem »Alten Fritz«, wurde gesagt, er habe alle Talente besessen. Philosophisch gebildet, begabt Flöte spielend und sogar Symphonien komponierend, den schönen Künsten allgemein zugeneigt, schaffte er Folter, Zensur und Zwei-Klassen-Justiz ab, verstand es aber auch, als König von Preußen seinen Staat in den Rang einer europäischen Großmacht zu katapultieren.
    Schon als Jüngling schrieb dieses spätere Idol ganzer Politiker-Generationen: »Mein Sinn ist auf die Philosophie gerichtet.« Und stand damit in heftigem Widerspruch zu seinem Vater, dem ruppigen Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., von dem ein Zeitgenosse berichtet, dass es an »seinem Hofe von Kriegsleuten nur so wimmle« und »alle Gelehrten sich beim König verächtlich gemacht« hätten. Von Friedrich II. hingegen stammen so hübsche Grundsätze wie »Der Herrscher ist der erste Diener seines Staates« oder »Jeder soll nach seiner Façon selig werden.« Und sogar: Der Fürst sei »ein rechter Mann, dessen souveräne Macht eine Stütze für Recht und Gesetz ist und nicht ein Mittel, um ungestraft Verbrechen zu begehen«. Schöne Worte.
    Aber Letzteres sagte Friedrich, als er noch Kronprinz war und noch gar nicht regieren musste. Und wir wissen: Wer sich seinen Pelz nicht waschen muss, der muss ihn bekanntlich auch nicht nass machen. Nach ihrer eigenen »Façon selig werden« wiederum sollten die Untertanen in Preußen doch nur in Hinblick auf ihre Religion. Der Spruch ist in erster Linie ein Reklameversprechen, mit dem religiös verfolgte Talente ins Land gelockt wurden. Individuelle Freiheit im modernen Sinne bedeutete das keineswegs. Niemand im preußischen Staat konnte sich etwa dagegen wehren, wenn staatlich beauftragte Kaffee-Schnüffler durchs Land zogen, um in Privathäusern jene kaffeetrinkenden Übeltäter auszumachen, die wertvolle Devisen verschleuderten, indem sie verbotenerweise dieses teure Auslandsprodukt konsumierten. Gegen preußische Hausbeobachtung ist Google Street View geradezu ein Witz. Und der berühmte Satz vom »Herrscher als erstem Diener seines Staates« ist bei genauem Hinsehen gar nicht so weit weg von dem markigen »Der Staat – das bin ich« des französischen Sonnenkönigs Ludwig. Es kommt nur drauf an, was man draus macht.
    Denn wie von ihm selbst gedient wird und wie alle ihm Untergeordneten dienen sollen, das bleibt doch auch bei Friedrich eine Sache seiner alleinigen, souveränen Entscheidung. Erster Diener zu sein heißt zunächst nichts anderes, als ganz nach Belieben schalten und walten zu können, unter der Vorgabe, alles diene dem Allgemeinwohl. Hinter dem Wort »Erster Diener« könnte ein raffinierter Etikettenschwindel stecken.
    Friedrichs Überfall auf das österreichische Schlesien etwa, gleich nach seinem Regierungsantritt 1740, war objektiv eine brutale politische Attacke nach absolutistischer Gutsherrenart, die nur ein einziges Ziel hatte: sein Herrschaftsgebiet und seinen politischen Einfluss zu erweitern. So hat er es später auch selbst zugegeben. Aber entsprach dieses Machtgelüst denn auch den Interessen seines Volkes? Wollte das Volk wirklich zu jenem erfolgreichen Kriegerstaat

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