Unterwegs in der Weltgeschichte
russische Bär noch, und für einen Kurfürsten wie den von Brandenburg zählt nur eins: sein eigenes Fürstentum. Und das möchte er vergröÃern. Dabei hat Friedrich Wilhelm I. viele gute Ideen: Zunächst einmal braucht er Menschen. Steuer zahlende, arbeitende Menschen. Die Gelegenheit ist Schmied seines Glücks: Aus dem katholischen Frankreich Ludwigs fliehen Tausende protestantische Hugenotten, zumeist fleiÃige Handwerker und clevere Kaufleute. Der Kurfürst wird gut 20 000 von ihnen mit offenen Armen empfangen.
Dann tut er politisch etwas, was prima in die Zeit passt: Er unterstützt politisch und militärisch mal diesen, mal jenen Machthaber, zeitweise sogar Frankreich. Diese Subsidienpolitik, auch spöttisch Schaukelpolitik genannt, spült Geld in die Staatskasse. Friedrich Wilhelm kann seine Armee mächtig vergröÃern: von kläglichen 3000 Mann bei Regierungsantritt auf 30 000 (!) bei seinem Tod 1688. Und statt dem unbegabten Adel die Ãmter der expandierenden Verwaltung nur der gewünschten Ehre wegen zuzuschanzen, wird eine effektive Beamtenschaft installiert. Jetzt schlägt die Geburtsstunde des deutschen Beamtentums: Als Adelsersatz entsteht mit der neuen Kaste ein starker Arm der Staatsmacht.
Diese preuÃische Einrichtung wirkt geschichtlich lange fort und ist später auch oft karikiert worden. Wir erinnern uns, dass das am witzigsten der Schriftsteller Heinrich Mann gemacht hat in seinem Roman »Der Untertan«: Der deutsche Beamte soll weder schöpferisch sein noch eigenständig denken, sondern gehorsam, staatstragend, unbestechlich, sparsam und korrekt die ihm zugeteilten Aufgaben loyal abarbeiten. Dabei gleicht seine Identität der eines Radfahrers: nach unten treten und nach oben buckeln.
Und dann eine ganz neue, pfiffige Idee: Da die Grundsteuer, die der Adel ja ohnehin nicht zahlt, nicht ausreicht, wird eine Verbrauchssteuer eingeführt, die erste Umsatzsteuer Europas.
Die abschlieÃende Krönung Brandenburgs, das sich seit damals nach seiner ostpreuÃischen, aus polnischer Lehnsherrschaft befreiten Neuerwerbung »Königreich PreuÃen« nennt, erfolgt 1701. Der Preis Friedrichs I. für die Option auf die Königswürde ist ein Hilfsversprechen im Spanischen Erbfolgekrieg: Wie der Sohn darf sich der Enkel des GroÃen Kurfürsten, Friedrich Wilhelm I., König nennen.
Schon die Zeitgenossen haben ihn »Soldatenkönig« getauft. Und so sieht sich König Friedrich Wilhelm I. auch selbst am liebsten. Er ist der erste Monarch, der ständig in einer Soldatenuniform herumläuft, und er setzt auf soldatische Tugenden: Unterordnung, Gehorsam und Pflichterfüllung. Der Kultur, der Kunst und Philosophie ist er kaum gewogen. Es muss dem Staat schon etwas einbringen: Die »Wirtschaftslehre« wird durch ihn zur Universitätswissenschaft. Er führt die allgemeine Schulpflicht ein, aber Pädagogik ist nicht so sein Fach: Seinen Sohn, den späteren Friedrich den GroÃen, traumatisiert er als 18-Jährigen, als dieser versucht, mit Hilfe eines Freundes dem militärischen Drill bei Hofe zu entfliehen. Vor den Augen des Sohnes lässt er dessen getreuen Katte enthaupten.
Auch wirtschaftlich ist die Vorliebe des Soldatenkönigs für Strenge und Gehorsam eindrücklich belegbar: Zwei Drittel des Staatshaushalts flieÃen 1740 in die Armee. PreuÃen ist ein Militärstaat. Dem König gelingt es sogar, dem Adel einzureden, dass sich die höchsten Tugenden des Menschen im »Werkzeug Soldat« abbilden. Der Dienst an der Waffe wird zu einer letztgültigen Frage der Ehre. Wie nachhaltig diese Einstellung bei der weiteren Entwicklung der Nationalstaaten gewirkt hat, zeigt die Betrachtung der »ritterlichen« Ehrenkodizes, die dann Anfang des 20. Jahrhunderts das Verhalten der gesamten europäischen Offizierskaste geprägt haben.
Ãberhaupt: Wenig hat so intensiv auf die weitere deutsche Geschichte eingewirkt wie diese hundert preuÃischen Jahre zwischen 1640 und 1740. Hier liegt der Schlüssel für vieles, was dann kam. Für die groÃartigen Leistungen, aber auch für die schrecklichen Abgründe.
29. Wie man sein Reich aufmöbelt
H irngespinste können hartnäckig und zählebig sein. Wer ist bloà auf die krude Idee gekommen, dass die Zuwanderung von Migranten eine Gefahr für den Staat sein könnte?
Vor 250 Jahren hätte man in PreuÃen
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