Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unterwegs in der Weltgeschichte

Unterwegs in der Weltgeschichte

Titel: Unterwegs in der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Christian Huf
Vom Netzwerk:
herstellt, die wichtigste Grundlage für Bildungs- und Kommunikationsprozesse seiner Zeit. Freilich geht es dem Holzpapier-Erfinder wie vielen Vorausdenkern: Noch über fast ein Jahrhundert lang bleibt der Wert seiner Erfindung unerkannt. Aber man kann an diesem Beispiel durchaus sehen, dass die Not ein echter Innovationsmotor sein kann.
    Wir schreiben das Jahr 1762, und die meiste Zeit seiner jetzt 22 Regierungsjahre hat der von Voltaire so genannte »Philosoph auf dem Königsthron«, der jetzt allmählich der » Alte Fritz« wird, im Kriegssattel zugebracht: Strategisch geschickt und auch von Feinden hochgelobt und bewundert, mutig, planvoll und intelligent hat er die schlagkräftigste Armee seiner Zeit gegen eine Übermacht gelenkt, die zuletzt zwanzigmal so viele Einwohner hinter sich vereinte wie sein kleines Fünf-Millionen-Völkchen. Das ehrgeizige Ziel ist erreicht, wenn auch zuletzt unter gnädiger Mithilfe des Schicksals: Das Reich ist aufgemöbelt, Preußen ist zur europäischen Großmacht aufgestiegen und kann diesen Status halten.
    1772 führt die Teilung Polens nochmals zu einer territorialen Erweiterung des Reiches. Mit dem neuen Westpreußen ist endlich auch der Anschluss geschafft zwischen dem bis dahin noch unverbundenen Brandenburg und Preußen. Auch in diesem Falle gilt: Außenpolitisch wird selbst in aufgeklärten Zeiten nach absolutistischer Manier verfahren. Die drei Großmächte Russland, Österreich und Preußen verteilen das polnische Territorium unter sich, und keine Instanz ist da, die dieses völkerrechtliche Kriminalstück verhindert.
    Noch einige Handvoll wichtiger ziviler Maßnahmen sind es, die Friedrich in den Augen von Freund und Feind zu einem »Großen « gemacht haben: vor allem die fortschrittliche Siedlungspolitik nach den Zerstörungen des Siebenjährigen Krieges, bei der gut 300 000 Bauern in 900 neuen Dörfern eine Heimat finden. Oder etwa die kluge Förderung des Kartoffelanbaus Anfang der 1770er-Jahre, mit der die Ernährung der Bevölkerung auf eine neue, solide Grundlage gestellt wird. Oder Friedrichs beständiger Fleiß und die Sorgfalt bei der Beobachtung aller staatlichen Tätigkeiten, die ihm den volkstümlichen Titel »König Überall« eintragen. Nicht zuletzt auch die Ernennung des genialen Newcomers Immanuel Kant zum Professor in Königsberg, dem seinerzeit fortschrittlichsten Trendsetter in Sachen Aufklärung.
    Die große Unübersichtlichkeit in den Zeiten massiver Umbrüche und politischer Neuorientierung hatte Friedrich glänzend gemeistert, zum Vorteil Preußens, das für die Zukunft Deutschlands nun die entscheidende Rolle spielen sollte. Friedrich hatte einen neuen Weg gefunden, außen- wie innenpolitisch, in einem Europa, das in dieser Zeit eigentlich einem politischen Tollhaus glich.
    Halten Sie es für Zufall, dass in solchen Zeiten die Kunst all das vernachlässigt, was in den Jahrhunderten zuvor noch Ebenmaß, Harmonie und Überschaubarkeit bedeutete? Und stattdessen die Turbulenz der Geschichte sich in wilden und überschwänglichen Formen abbildet? Je wirrer die Zeiten, desto mutiger die Kunst, Sie haben sich das vermutlich schon gedacht. In den Werken der Maler, Baumeister und Musiker des 17. und 18. Jahrhunderts regieren Überraschung, Irritation, Bewegung, Fluss und Unüberschaubarkeit. Barock hat man später treffend diese Kunstepoche zwischen 1600 und 1750 genannt, abgeleitet vom portugiesischen barocco , der Bezeichnung für eine wunderschöne, aber naturhaft unberechenbar geformte Perle.
    Der Zugriff der Künstler ist mächtig und total: Alle Sinne wollen sie zugleich aufrütteln. Der Betrachter soll gleichsam absorbiert werden von einer überwältigenden Performance verschlungener Formen und Farben.
    In Italien war es bereits im 17. Jahrhundert Lorenzo Bernini (1598–1680), der spätere Baumeister am Hofe Ludwigs XIV., gewesen, der die strengen Formen zum Fließen brachte und Architektur, Plastik und Malerei in seinen Bauwerken zu überwältigenden Gesamtkunstwerken vereinte. An der Prachtentfaltung von Versailles hatten sich danach alle Fürsten Europas gemessen und sogar versucht, diese Leitkultur noch zu verfeinern und zu überbieten. Auch Friedrich war mit seinem preußisch-bescheidenen Sanssouci diesem Vorbild gefolgt.
    Mit der Erfindung des Porzellans in Sachsen 1709 eröffnet

Weitere Kostenlose Bücher