Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unterwegs in der Weltgeschichte

Unterwegs in der Weltgeschichte

Titel: Unterwegs in der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Christian Huf
Vom Netzwerk:
über einen solch merkwürdigen Gedanken ratlos den Kopf geschüttelt. Der wachsende Erfolg des Königreichs war doch gerade auf den ungebremsten Zuzug fremder Menschen gegründet. 1725 war bereits jeder fünfte Bewohner ein Zuwanderer, jeder dritte Offizier im Heer ein Hugenotte. Jedem leuchtete damals ein: Die Menschen sind das eigentliche Kapital eines Staates. Denn sie bringen ihre Arbeitskraft mit, sie zahlen Steuern, sie fördern durch ihren Verbrauch den Anstieg der Produktivität, sie kreieren neue Ideen, sie verstärken das Heer und erhöhen das Ansehen und die Bedeutung eines Landes und ihres Landesherrn.
    Der Schlachtruf aller aufstrebender Staaten zu dieser Zeit heißt: »Peuplierung«, abgeleitet vom französischen peuple , das »Volk«. Das hört sich ein wenig wie Möblierung an, und die Herrscher dieser Zeit haben es wohl auch so ähnlich verstanden: Nur durch seine Innenausstattung wird ein leerer Raum zu einer wirklichen Wohnung, ein Staat zu einer Nation. Und nur durch Peuplierung war das zu schaffen, was Preußen schließlich erreicht hatte: eine Machtausdehnung sondergleichen, in militärischer wie in wirtschaftlicher Hinsicht. Als unerlässlich erschien es bei diesem Prozess freilich, von vorneherein auf eine einheitliche Amtssprache zu setzen und ein übergreifendes nationales Bewusstsein zu schaffen – eine Erkenntnis, zu der sich auch heute mehr und mehr Integrations-Bemühte durchringen.
    Vor allem sind es in der Zeit Friedrichs natürlich auch die Kriege, die als mächtige Integrationsbeschleuniger wirken, indem sie ein kräftiges Nationalgefühl aus Feuer und Blut schmieden. Dabei ist der von Friedrich dem Großen inszenierte Aufstieg Preußens keineswegs als konstant aufsteigende Erfolgslinie zu beschreiben, sondern vielmehr als ein typisches Ergebnis der politischen Zerrissenheit Europas zu dieser Zeit: Ständig steht alles auf der Kippe, Erfolge können sich blitzschnell in Rückschläge verwandeln und andersherum, wechselnde Koalitionen und Bündnisse verändern die Lage oft über Nacht, kleine Zufälle und politische Schicksalsschläge haben weltpolitische Konsequenzen. Alles ist im Fluss. Jeder Staat sucht in diesem vielstimmigen Chor immer wieder neu seine Position zu behaupten. Die Erfolgsgeschichte Preußens im 18. Jahrhundert ist ein Lehrstück über die Schwierigkeit der einzelnen Nationen, sich selber zu finden.
    Alles beginnt, wie schon im Spanischen Erbfolgekrieg, mit dem Tod eines Monarchen. Kaiser Karl VI. stirbt 1740 in Wien. Da ein männlicher Erbe fehlte, hatte er vorausschauend mit der sogenannten Pragmatischen Sanktion bereits 1713 ein Gesetz geschaffen, demzufolge in den Gebieten seiner Herrschaft auch die weibliche Erbfolge gelten sollte. So kommt es, dass zwei Monate nachdem der 28-jährige Friedrich II. den preußischen Königsthron bestiegen hat, ein 23-jähriges, politisch völlig unerfahrenes Mädchen in den Besitz der habsburgischen Krone gelangt: Maria Theresia (1717–1780). Sie wird sich in den vierzig Jahren ihrer Regentschaft mit ihren 16(!) Kindern nicht nur als eine der erfolgreichsten Mütter aller Zeiten erweisen, sondern auch als beständige und kluge, wenn auch nicht eben fortschrittliche Herrscherin.
    Aber das freilich ist jetzt noch nicht abzusehen, und Friedrich wittert die Chance, dem kaiserlichen Mädel den Machtbereich Schlesien abzunehmen und seinen eigenen Einfluss auszudehnen. Kaum muss er mit Widerstand rechnen und geht aus der Schlacht des Ersten Schlesischen Krieges 1741 auch tatsächlich als Sieger hervor. Wieder ein neues Wohnzimmer im Hause Preußen!
    Ob moralisch oder nicht – den Siegern gehört die Welt: Rasch findet der dynamisch vorpreschende preußische König jetzt Bundesgenossen, die an der Seite des jungen Gewinners ebenfalls profitieren wollen. Frankreich erhofft sich eine nachhaltige Schwächung seines Erzfeindes Habsburg, will insgeheim aber auch keine andere deutsche Macht stärken. Sachsen hofft darauf, sich vom österreichischen Territorium bei guter Gelegenheit eine Scheibe abschneiden zu können. Ebenso Bayern, dessen Kurfürst darüber hinaus mit der Kaiserkrone liebäugelt. Nur England hält zu Österreich, aber auch nur, um eine mögliche Stärkung Frankreichs zu verhindern, besonders in Hinblick auf den gärenden Kolonialkonflikt in Nordamerika und Indien.
    Die

Weitere Kostenlose Bücher