Unterwegs in der Weltgeschichte
später als die Himmelsscheibe von Nebra, aber durch das Bildmotiv des Sonnenkreislaufs markant mit ihr verbunden.
In der Bronzezeit wächst Europa, wächst die antike Welt zusammen. Aber der neue Werkstoff ist nur ein Glied in der Kette der Gemeinsamkeiten. Das zweite Element ist die Religion. Der Norden wird in dieser bronzezeitlichen Weltordnung nicht durch stolze Herrscher oder mächtige Reiche vertreten. Aber er ist auf einzigartige Weise innovativ und hält mit dem Sonnenschiff von Nebra und dem Sonnenpferd von Trundholm das Copyright für zwei religiöse Bildmotive, die Kulturgeschichte schreiben werden.
7. Ein Gespenst kommt selten allein
S ie zieht sich wie ein Schatten, ein düsterer Nebel durch die Geschichtsbücher â jene Epoche zwischen 1200 und 800 v. Chr., die man das »dunkle Zeitalter« nennt. Man könnte auch von einem Bermuda-Dreieck der Geschichte sprechen, da es nur spärliche schriftliche Zeugnisse aus dieser Zeitphase gibt. Ihr Merkzeichen: Völkerwanderungen, Machtverschiebungen, kriegerische Auseinandersetzungen und Umwälzungen vor allem im östlichen Mittelmeerraum, die auch die gewaltigen Imperien des Nahen Ostens erschüttern.
Das Beziehungsgeflecht der bronzezeitlichen Weltordnung, die auf gesicherten diplomatischen Kontakten und weitgespannten Handelsbeziehungen zwischen den verschiedenen Staaten beruhte, wird zerrissen. Es ist eine unheimliche, gespenstische Epoche.
Und ein Gespenst gibt es auch.
Immer wieder ist die Szenerie beschrieben worden, immer von Neuem berührt sie jeden, der sich auf sie einlässt. Am besten, Sie mischen sich unter die trojanischen Krieger, die in der Morgendämmerung auf den Wehrgängen der Stadtmauer ihren Dienst tun, und betrachten das Geschehen von dort.
Die Wachen auf den hohen Befestigungsmauern Trojas trauen bei Tagesanbruch ihren Augen nicht: Der Strand, an dem gestern noch die Zelte der griechischen Armee standen, ist leer, und auch die feindlichen Schiffe sind offensichtlich verschwunden. Stattdessen blickt ein merkwürdiges Ungetüm, das bei Sonnenaufgang als ein riesiges Holzpferd erkennbar wird, von dort, wo sich das langjährige Kriegslager der Griechen befand, in Richtung Stadt.
Die Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer, und Sie sollten die trojanische Stadtmauer jetzt wieder verlassen, denn dort wird es bald ungemütlich. Allen Warnungen, Befürchtungen, Prophezeiungen zum Trotz und obwohl sie allen Grund haben, eine griechische Täuschung zu vermuten, ziehen die Trojaner das verdächtig aussehende Monstrum, eine Erfindung des listenreichen Odysseus, in die Stadt. Die im Bauch des Pferdes verborgenen Soldaten klettern, als die Nacht kommt, aus ihrem Versteck und öffnen das Stadttor. Der Zorn der griechischen Truppen, die ihren Rückzug nur vorgetäuscht hatten und nun â nach zehnjähriger Belagerung â über die Trojaner herfallen, entlädt sich in einem Blutrausch ohnegleichen.
Blutrausch hin, Blutrausch her. Der Trojanische Krieg â ein Gemeinschaftswerk von Menschen und Göttern, mit einer Teilnehmerliste klingender Namen von Achilles und Agamemnon bis zu Hektor und Paris â ist nicht nur zentrales Ereignis der griechischen Mythologie. Er wurde durch die beiden groÃen Versepen »Ilias« und »Odyssee«, in denen der Dichter Homer seine entscheidenden Phasen und sein Ende schildert, auch so etwas wie die Gründungsurkunde der europäischen Kultur. Das hölzerne Ross, das zum berühmtesten Pferd der Geschichte, aber auch zum Paradebeispiel für die »Torheit der Regierenden« (Barbara Tuchman) geworden ist, gehört ebenso zum allgemeinen Bildungsgut wie die Irrfahrten des Odysseus. Die Sensationsfunde Heinrich Schliemanns in den 1870er-Jahren taten ein Ãbriges, um den Mythos Troja stark und schillernd zu machen.
Versuchen wir zu sortieren und schieben dabei eine der verzwicktesten Fragen der abendländischen Philologie â ob es denn den blinden Dichter Homer als den gemeinsamen Autor von »Ilias« und »Odyssee« wirklich gegeben hat â gleich mal beiseite.
Homers Troja aber hat es, mit hoher Wahrscheinlichkeit jedenfalls, wirklich gegeben. Schliemann fand seine Ãberreste â darin ist sich die Fachwelt mittlerweile einig â in dem 15 Meter hohen Hügel Hisarlik, der strategisch günstig an der Nordwestspitze Kleinasiens nahe dem Eingang der Dardanellen liegt. Erwiesen
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