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Unterwegs in der Weltgeschichte

Unterwegs in der Weltgeschichte

Titel: Unterwegs in der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Christian Huf
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so dichtes Netz von Neuansiedlungen, dass die Region später Magna Graecia (lat. = Großgriechenland) genannt wurde. Um 630 v. Chr. entstand in Nordafrika die Kolonie Kyrene, gegründet von Griechen aus Thera, die vor der Trockenheit und einer Hungersnot geflohen waren. Kyrene entwickelte sich zu einer der blühendsten Städte des Altertums.
    Im Osten erreichten die Siedler das Schwarze Meer, breiteten sich von Byzanz bis nach Kertsch auf der Halbinsel Krim und Trabzon, das alte Trapezunt , an der Nordküste der anatolischen Halbinsel aus. Massalia , das heutige Marseille, gegründet um 600 v. Chr., und Neapolis (griech. = Neustadt), das heutige Neapel, wurden zu Metropolen der Antike und des Mittelalters. Bis in die Gegenwart sind die beiden ehemals griechischen Kolonien bedeutende Großstädte geblieben.
    Ãœbervölkerung und Landnot im griechischen Kernland und auf den Inseln, aber auch handfeste Handelsinteressen waren die wesentlichen Ursachen der Kolonisation. Flucht aus der Armut, der Versuch, eine neue Existenz aufzubauen, aber auch Neugier, Abenteuerlust und andere individuelle Motive kamen hinzu. Im Ergebnis milderte die Auswanderungswelle nicht nur die sozialen Probleme im Mutterland, sie schenkte den Griechen auch einen neuen, selbstbewussteren Blick auf die mediterrane Welt und vermittelte ihnen ein stärkeres Gemeinschaftsgefühl.
    Aus Zerstreuung wuchs Zusammenhalt. Aus Vielfalt Einheit. Den besten Kommentar zur neuen geografischen Lage gab später – wer sonst? – Platon: Die Griechen in den Küstenstädten, befand er, säßen nun wie Frösche um einen Teich, ihren Teich.
    Er war eine Art Ersatz für den fehlenden Flächenstaat, den Griechenland im Altertum nicht bilden konnte. Die zerklüftete, gebirgige Landschaft, in der große Flusssysteme fehlten, war einer Reichsbildung hinderlich. Verbindend und Zusammenhang stiftend waren nur die gemeinsame Sprache und Schrift sowie Götter- und Sagenwelt einschließlich der Befragung des Orakels neben sportlichen und künstlerischen Wettbewerben. Dazu gehörten insbesondere die nach ihrem Austragungsort Olympia auf der Peloponnes benannten gesamtgriechischen Spiele, die zu Ehren des Zeus seit 776 v. Chr. im Vierjahresrhythmus stattfanden, und regelmäßige Dionysos-Feste, gewidmet dem Gott des Weins, der Fruchtbarkeit und der Ekstase.
    Dieses Gefühl einer überregionalen Gemeinsamkeit wurde nach außen durch die Bezeichnung »Hellenen« bekundet – in bewusster Abgrenzung zu allen Völkern, die ihre Sprache nicht beherrschten und von den Griechen »Barbaren« (Plapperer) genannt wurden.
    Das spezifisch griechische Modell des Zusammenlebens, den topografischen Gegebenheiten des Landes perfekt angepasst, war die Polis (Plural: Poleis ) – der Staat im Kleinen. In der mykenischen Kultur war die Polis die Burg einer Stadt, später wurde daraus der Kernbegriff für die griechischen Stadtstaaten und ihre typische Organisationsform. Politische Unabhängigkeit ( Autonomie ), eigene Verwaltungsstrukturen und wirtschaftliche Autarkie waren die Kennzeichen – manchmal aber auch nur die Ziele oder Hoffnungen – dieser kleinen Staatswesen, von denen viele nur einfache Landgemeinden waren.
    Die mittleren bis größeren Poleis hatten eine durchschnittliche Ausdehnung von fünfzig bis hundert Quadratkilometern und rund 2000 bis 3000 Einwohner, die in soziale Gruppen unterteilt waren. Politisches Mitspracherecht besaßen nur Vollbürger (erwachsene freie Männer, die sich selbst ausrüsten konnten), nicht jedoch Frauen, Sklaven und Zuwanderer ( Metöken ). Die Poleis besaßen einen ummauerten städtischen Kern, der meist von landwirtschaftlichen Flächen umgeben war, die das Staatsgebiet bildeten. Auf einer Anhöhe befand sich die Akropolis (griech. = Oberstadt).
    Hunderte dieser Kleinstaaten bildeten sich bis zur Mitte des ersten Jahrtausends v. Chr. in Griechenland heraus. Auch auf den Inseln und in den griechischen Kolonien rund um das Mittelmeer fasste das Erfolgsmodell Fuß. Das Nebeneinander der um ihre Selbständigkeit ringenden Poleis war durch Rivalitäten und Machtkämpfe, aber auch durch Allianzen und Zweckbündnisse geprägt.
    Auch wenn ihre Ideale nur in wenigen Stadtstaaten – vor allem in Athen – verwirklicht wurden, ist das Wort Polis fast zu einem magischen Begriff geworden. Es liegt unserem Wort »Politik«

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