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Unterwegs in der Weltgeschichte

Unterwegs in der Weltgeschichte

Titel: Unterwegs in der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Christian Huf
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zugrunde, steht für die Urzelle der Demokratie und wurde fast zu einem Synonym für das antike Griechenland.
    Athen war nicht nur der mächtigste, sondern nach Sparta auch der territorial größte Stadtstaat mit einer Fläche von circa 2600 Quadratkilometern. Die Stadt liegt auf der Halbinsel Attika in einer Ebene, die zum Meer hin offen und von Gebirgszügen umgeben ist. Die Lage bot eine ideale Voraussetzung für die Errichtung eines Machtzentrums: Von einem befestigten Palast auf der Akropolis aus – einer Vorstufe der späteren »klassischen« Bebauung – kontrollierten die Herrscher die Stadt und das Umland, zu dem nicht nur die gesamte Halbinsel Attika, sondern auch die Insel Salamis gehörte. Die fruchtbaren Ebenen Attikas waren Hauptanbaugebiete für die wichtigsten landwirtschaftlichen Produkte wie Getreide, Wein und Oliven.
    Kehren wir also zurück in den Bannkreis der Athener Burg.
    Im Verlauf des siebten Jahrhunderts v. Chr. gerieten die adligen Familien und Gruppierungen in Athen, die vom Sklavenhandel und von der Schuldknechtschaft profitierten und mit einer ungeheuren Machtfülle ausgestattet waren, zunehmend unter Druck. Von der politischen Mitsprache ausgeschlossen, durch Wucherzinsen geknebelt, durch bestechliche Richter (Archonten) gemaßregelt und von buchstäblich drakonischen Strafen bedroht (benannt nach Athens Gesetzgeber Drakon ), begann ein Teil der Bevölkerung aufzubegehren: verarmte Bauern, Handwerker, Fischer, Hirten, Tagelöhner. Ein Bürgerkrieg schien unvermeidlich.
    Es bedurfte der Weisheit und der Sprachfähigkeit eines Solon, um den sozialen und politischen Zündstoff zu entschärfen, den Konflikt zwischen Adel und Bauernschaft zu schlichten und ein erstes Reformpaket zu schnüren. Der »Staatsweise«, wie man ihn genannt hat, verfügte 594 v. Chr. eine allgemeine Schuldentilgung und die Abschaffung der Schuldknechtschaft, die häufig direkt in die Sklaverei geführt hatte.
    Grunderwerb sollte nach Solons Regelwerk nur noch bis zu einem bestimmten Grade möglich sein. Außerdem war die Vergabe von Ämtern nicht mehr an die soziale Herkunft eines Bewerbers gebunden, sehr wohl aber an sein Einkommen. Um die Regelung handhabbar zu machen, wurden die Bürger in vier verschiedene Vermögensklassen eingeteilt.
    Die Macht des Areopags (Adelsrat) wurde durch ein Volksgericht eingeschränkt. Die sogenannte Popularklage verschaffte jedem Einzelnen das Recht, Anzeige zu erstatten und als ungerecht empfundene Urteile einer Berufungsinstanz vorzulegen. Ein verbessertes Bürgerbewusstsein im Sinne einer Mitgestaltung des Staatswesens zu schaffen war das zentrale Motiv der solonischen Reform.
    Der große Schlichter starb 560 v. Chr. in Athen. Die Adelsherrschaft hatte er immerhin zu einer Art Timokratie , einer Dominanz der Vermögenden, abgeschwächt. Das Gleichheitsprinzip und die Vermeidung von Privilegien, essenzielle Elemente der Demokratie, waren darin noch nicht vorgesehen. Ohnehin argwöhnten die Reichen, zu viel abgegeben, die Armen, zu wenig bekommen zu haben. Und – die Handhabung der neuen Gesetze erwies sich als sehr kompliziert.
    Was folgte, waren Jahrzehnte einer neuen Tyrannis , versüßt durch wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung. Der adlige Alleinherrscher Peisistratos führte um 560 v. Chr. das Münzwesen in Athen ein, stiftete rauschende Feste wie die Dionysien, aus denen die antike Tragödie hervorging, gab den Bürgern seines Sonnenstaates ein neues Selbstgefühl und so etwas wie eine corporate identity.
    Aber während in Sparta nach wie vor eine kleine Oberschicht eine Masse von Untertanen – die Heloten – ausbeutete, ließ sich in Athen das erstarkte Bürgerbewusstsein nicht mehr auf Dauer zurückdrängen. Hatte Solon noch einem idealisierten, am Allgemeinwohl orientierten Menschenbild vertraut, so war sein Nachfolger Kleisthenes pragmatischer und realistischer. Ihm kam es darauf an, die naturgemäße Verführbarkeit des Bürgers durch die eigenen Machtansprüche, aber auch seine Gefährdung durch die Machtausübung anderer mit demokratischen Mitteln abzufangen.
    Mit einer Territorialreform für das attische Staatsgebiet und einer daraus abgeleiteten Neuordnung der Phylen , der Stammesverbände, wie auch der dominierenden Einflussgruppen wurde die Einwohnerschaft Athens staatsrechtlich neu gemischt. Auf diese Weise konnte

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