Unterwegs in der Weltgeschichte
nomadisch lebenden Sippen.
Mohammed gehört zur Sippe der Haschemiten. Seine Familie besitzt das Privileg, im Zentrum von Mekka die Pilger mit Wasser zu versorgen. Die Menschen kommen zur Kaaba, um ihren Göttern zu opfern. Kurz nach Mohammeds Geburt stirbt der Vater. Das Kleinkind wird, wie es in Mekka üblich ist, in die Obhut von Beduinen gegeben. Es soll ihren Stolz erlernen und Wüstenluft atmen. Als Mohammed zu seiner Mutter Amina zurückkehrt, ist auch sie schon vom Tod gezeichnet. Der Junge wächst bei seinem Onkel Abu Talib auf und hütet dessen Kamele und Schafherden. Er darf ihn auf Geschäftsreisen begleiten. Diese Reisen führen ihn bis nach Bosra in Syrien. Mohammed lernt den geschäftlichen Umgang mit Handlungsreisenden, erlebt den Glanz der persischen Kultur und hört auch von Abraham, Moses, David und Jesus. Er begegnet einem christlichen Mönch namens Bahira und ist von dessen Spiritualität beeindruckt. Die Askese des Mönchs kann und will er jedoch nicht übernehmen: »Wohlgerüche, Frauen und Gebete sind mir die schönsten Dinge auf Erden.«
Mohammed ist ein heiterer, lebensfroher Mensch. Er heiratet die 15 Jahre ältere Khadija, lebt zwanzig Jahre mit ihr monogam zusammen und hat sieben Kinder mit ihr. Er lebt in Mekka und opfert an der Kaaba den Göttern seiner Sippe. Als er vierzig Jahre alt ist, gerät er jedoch in eine tiefe Lebenskrise. Er vernachlässigt seine Pflichten und irrt wie ein Kranker umher: fiebrig, verwahrlost und in zerrissenen Kleidern. Er stellt alle Sitten und Gebräuche seiner Umgebung in Frage. Auf dem Tiefpunkt seines Ausstiegs trifft ihn jedoch ein religiöses Erweckungserlebnis: Er sieht in einer Vision den Engel Gabriel, der ihm ein beschriftetes Seidentuch hinhält und ihn, den Analphabeten, auffordert zu lesen. Eine Stimme spricht ihn als Gesandten Gottes an.
In völliger Verwirrung zieht Mohammed sich zurück. Er sieht sich selbst als von Dämonen besessen. SchlieÃlich akzeptiert Mohammed jedoch seinen Zustand und interpretiert ihn als göttliche Berufung. Er beginnt, als Verkünder göttlicher Weisungen aufzutreten. Seine Aussprüche werden von Freunden auf Papyrus, Palmenholz oder Tierhäuten niedergeschrieben. Diese Aufzeichnungen bilden den Grundstock des Koran (wörtlich: Vorlesetext).
Die gläubigen Muslime sind überzeugt, dass Allah Autor der Sprüche und Gedanken ist, die Mohammed als Medium im Zustand seelischer Trance empfängt. Der Text des Koran gilt als »Wort Gottes«, ähnlich wie in der christlichen Inspirationstheorie die Bibel als unmittelbare göttliche Offenbarung. Für den gläubigen Muslim ist es selbstverständlich, dass Allah sich der arabischen Sprache bedient und Mohammed sein endgültiger Prophet ist, der â nach Moses und Jesus â die Offenbarung vollendet.
Mohammeds Verhältnis zum Christentum ist ambivalent. Der Koran sieht in Jesus einen Vorläufer des Propheten. Jesus ist der Messias, der künftige Weltenrichter, einer der groÃen Gesandten Allahs. Aber er ist nicht Gottes Sohn, weil Gott nicht gezeugt wurde und nicht gezeugt hat. Auch die Vorstellung von einem Gott in drei Personen ist dem Koran fremd. Er sieht darin einen Rückfall in die Vielgötterei. Maria ist für ihn ein »Zeichen für die Menschheit« â die Mutter Jesu, aber nicht die Mutter Gottes.
Mohammeds Verhältnis zum Judentum ist ebenfalls ambivalent und hat sich im Lauf seines Lebens ins Negative entwickelt. Ursprünglich sieht Mohammed in den Juden seine natürlichen Verbündeten, weil die »Kinder Israels« für ihn die Einzigen neben ihm sind, die an den einen Gott glauben und denen die Vielgötterei ein Gräuel ist. Im Koran werden die Kinder Israels vierzig Mal erwähnt. Mohammed sieht sich selbst in der Tradition der groÃen Propheten Israels und identifiziert sich mit Noah, Abraham und Moses. In Abraham sieht er den Urahn auch der Araber, einen wahren Muslim, der sich seinem Gott rückhaltlos unterwirft und sogar bereit ist, seinen eigenen Sohn als Opfer darzubringen.
Mohammed denkt aber nicht nur in religiösen Dimensionen. Er denkt immer auch politisch. Er geht lange davon aus, dass die Juden von Medina, wohin er ausgewandert ist, den Glauben ihrer Väter aufgeben und sich ihm anschlieÃen werden. Erst als seine Erwartungen sich nicht erfüllen, beginnt er, sich von den Kindern Israels zu
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