Unterwegs in der Weltgeschichte
ausgezeichnet worden. Den Stamm der Burgunder, deren Leben und Sterben das Epos schildert, umgibt seither ein tragischer Glorienschein. Aber noch ein anderes Volk ist uns durch das Heldenlied markant â freilich mit dämonischem Beigeschmack â im Gedächtnis geblieben: die Hunnen.
Deren Invasion ab der Mitte des vierten Jahrhunderts betrachten manche Forscher als die entscheidende Ursache für den Untergang des römischen Imperiums. In der Tat war es Rom immer schwerer gefallen, seine Grenzen im Nordosten zu verteidigen. Bereits in der Regierungszeit des Augustus, im Jahr 9 n. Chr., war ein römisches Heer unter Publius Quinctilius Varus in der Schlacht am Teutoburger Wald, höchstwahrscheinlich bei Kalkriese am Wiehengebirge, von den Cheruskern unter Arminius besiegt worden. Kaiser Domitian (81â 96) nahm Zuflucht zum Bau eines Grenzwalls und lieà den Limes errichten, der allein an der obergermanisch-raetischen Grenze in seinem Endstadium (159 â 260) etwa 550 Kilometer lang war. Später musste Aurelian (270 â 275) sogar eine Mauer um die Stadt Rom ziehen.
Das Römische Reich befand sich durch die im vierten Jahrhundert einsetzende Völkerwanderung, die das Eindringen germanischer Stämme zur Folge hatte, in einem permanenten Kriegszustand. Es verlor nach der verheerenden Niederlage von Adrianopel 378 gegen die terwingischen Goten, die auf der Flucht vor den Hunnen waren, zunehmend die Kontrolle über seine westlichen Provinzen. Theodosius I., in dessen Regierungszeit (379 â 395) das Imperium letztmalig vereint war, gewährte den Siegern unter dem Druck eines Friedensvertrags etwas bis dahin Unvorstellbares: Sie erhielten die Erlaubnis, südlich der Donau unter Beibehaltung ihrer Sitten und Gebräuche zu siedeln. Damit durfte erstmals ein fremdes Volk im Römischen Reich ansässig werden.
Nach Theodosiusâ Tod wurde sein Sohn Honorius Herrscher im Westen und sein Sohn Arcadius Herrscher im Osten des Imperiums. Wenn auch formal die Einheit weiter bestand, war das der endgültige Schritt zur Teilung in ein Oströmisches und ein Weströmisches Reich. Wie die Brennpunkte einer Ellipse lagen jetzt Konstantinopel und Rom auf der politischen Landkarte: Ostrom mit Ãgypten, Palästina, Griechenland, Makedonien und Kleinasien, Westrom mit Italien, Nordafrika, Gallien, Spanien, Germanien und Britannien.
Und Westrom geriet immer mehr unter den Einfluss der Germanen. 410 plünderten die Westgoten, die vorher schon Konstantinopel und Athen bedroht hatten, die Stadt Rom. 455 folgten ihnen darin die Vandalen; der an diese Eroberung angelehnte Ausdruck »Vandalismus« kam erst im 18. Jahrhundert auf.
Aber zunächst einmal waren die Hunnen am Zug. Diese in Zentralasien beheimateten Reiternomaden hatten sich zu Beginn des dritten Jahrhunderts im Gebiet der heutigen Mongolei zu einem GroÃreich zusammengeschlossen und befanden sich seitdem in einer Art Dauerkrieg mit China. Die Chinesen hatten zuvor ihrerseits unter ihrem ersten Kaiser Châin die Reichsgrenze weit nach Norden verschoben und bedrohten nun die besten Weidegründe der Reiternomaden. Darauf antworteten die Hunnen (chin. Hsiung-nu ) wiederum mit eigenen Offensiven. Als Schutzwall gegen die Hunnen (und später die Mongolen) entstand in China ab 215 die »GroÃe Mauer«, die sich aus Erdhügeln und Holzpalisaden zu einem massiven steinernen Bollwerk entwickelte und im Endausbau eine Länge von 2500 Kilometern erreichte.
Ab etwa 370 trieben die Hunnen ihre Expansion nach Westen voran und lösten mit der Unterwerfung verschiedener germanischer Stämme im Südosten Europas eine fast den ganzen Kontinent umfassende Fluchtbewegung aus: die Völkerwanderung. Bis zur Mitte des fünften Jahrhunderts konnten sie ihren Machtbereich auf ein Territorium von Mittelasien und dem Kaukasus bis zur Donau und schlieÃlich bis an den Rhein ausweiten. Hier schlugen sie 436 â in einer kurzzeitigen Allianz mit dem römischen Feldherrn Aetius â auch die Burgunder, die sich zwischen Mainz und Worms niedergelassen hatten. Die Vernichtung ihres Reiches könnte den Tatsachenkern des Sagenkomplexes um Siegfried und Kriemhild bilden, der den Untergang der Burgunder schildert.
Besonders markant sind die Geschehnisse um den Stammesfürsten Attila (406 â 453), den König Etzel des »Nibelungenlieds«, der sich nach der Beseitigung seines Bruders und
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