Unterwegs in der Weltgeschichte
distanzieren. Er ändert die Gebetsrichtung der Muslime von Jerusalem nach Mekka. Am Ende entledigt er sich der Juden von Medina aus politischen Gründen â er sieht in ihnen ein Sicherheitsrisiko und vertreibt sie aus der Stadt. Er lässt ihre Palmen niederhauen als Zeichen der Endgültigkeit.
Mohammed versteht sich also nicht nur als Medium göttlicher Offenbarung und als gesellschaftskritischer Prophet. Er handelt auch politisch und übernimmt militärische Verantwortung. Als am 21. März des Jahres 625 vor den Toren Medinas ein starkes mekkanisches Heer auftaucht, um ihn und seine Anhängerschaft zu vernichten, ergreift Mohammed die Rolle des militärischen Führers. Er reitet mit 700 Mann der Ãbermacht entgegen. Die Mekkaner sind, wenn die Quellen richtig zählen, mit 3000 Mann zu FuÃ, 3000 Kamelreitern und 2000 Reitern zu Pferde angerückt. Die Schlacht am Berg Uhud ist blutig. Mohammeds Streitkräfte behalten die Oberhand, verfolgen die Gegner aber nicht bis nach Mekka. Mohammed benutzt nur die Gelegenheit, mit seinen innenpolitischen Gegnern, vor allem den Juden, abzurechnen.
Mohammed schafft jetzt ein Herrschaftssystem, das sich als Gottesstaat definiert und sehr bald despotische Züge annimmt. Jede Kritik oder Infragestellung wird unterbunden. Politik und Religion werden fest ineinander verflochten. Was gegen die Religion verstöÃt, ist auch gegen den Staat gerichtet und umgekehrt. Mohammed wächst in die Rolle eines absolut regierenden Staatsoberhauptes. Mit den Worten der modernen Staatslehre kann man sagen: Mohammed vereinigt in seiner Hand die Legislative, die Exekutive und die Judikative, aber darüber hinaus auch die oberste Priesterschaft. Es gibt keine von der Staatsgewalt unabhängige Justiz und auch keine unabhängige religiöse Autorität. Die Trennung von religiöser und profaner Wirklichkeit, von Religion und Staat ist dem Islam immer fremd geblieben.
Als Mohammed am 8. Juni 632 stirbt, ist die Trauer unter seinen Anhängern unermesslich. Viele Gläubige waren überzeugt, der Prophet werde niemals sterben. Jetzt wird die ganze historische Dynamik seiner religiösen und gesellschaftlichen Weltsicht offenbar. Bereits 25 Jahre später gehören Syrien, Ãgypten und Nordafrika bis nach Marokko zum Islam. Einhundert Jahre danach stehen muslimische Truppen in Zentralasien, im Indus-Tal, im heutigen Pakistan, Buchara und Samarkand. Die Kalifen (Mohammeds »Stellvertreter« oder »Nachfolger«) haben mit ihren Heeren aus arabischen Beduinen ein Gebiet von Spanien bis Indien erobert.
Was ist der Grund für die rasante militärische Ausbreitung des Islam? Gesellschaftliche Systeme, deren wirtschaftliche Grundlage vor allem durch kriegerische Raubzüge gesichert wird, verlieren den Nachbarn als Beuteobjekt, wenn dieser muslimisch wird. Da es verboten ist, gegen Glaubensbrüder kriegerisch vorzugehen, gehört ein Nachbar, der den muslimischen Glauben angenommen hat, zum Inneren der Glaubensgemeinschaft, der Umma . Erst jenseits seiner Grenze darf wieder Beute gemacht werden. Also muss man die Grenze zu den Ungläubigen so schnell wie möglich überschreiten, weil nur so noch Reichtümer zu gewinnen sind.
Ein anderer wichtiger Faktor des gewaltigen Eroberungszuges war, dass die Muslime es den Besiegten leicht machten, sich zu unterwerfen, wenn diese wie sie selber an einen Gott glaubten und heilige Schriften besaÃen. Das war vorrangig bei Juden und Christen der Fall. Ihre Religionen galten als verwandt mit dem Islam. Gegen Zahlung einer Steuer konnten sie weiter ihrem Glauben anhängen und standen unter dem Schutz der Kalifen.
Gleichwohl sieht die monotheistische Dogmatik des Islam in der eigenen Religion die absolute Wahrheit. Neben Allah kann deshalb keine andere Gottheit geduldet werden. Wer nicht an Allah und nicht nur an Allah glaubt, versagt ihm den schuldigen Respekt und versündigt sich. Deshalb darf die Anerkennung des Universalherrschers und seines Propheten im Prinzip auch mit Gewalt erzwungen werden. Die historische Realität des Eroberungszuges kannte aber sehr wohl auch Beispiele der Toleranz.
Ohne den religiösen Ansporn, der die Araber vorantrieb, wäre ihr Sturmlauf über drei Kontinente allerdings nicht möglich gewesen. »Setzt euch ein für die Sache Allahs«, hatte Mohammed befohlen. An diesem Einsatz für die Verbreitung des Islam teilzunehmen, war deshalb
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