Unterwegs in der Weltgeschichte
Flotte. Reformen des Heerwesens sorgten für eine kalkulierbare und kostensparende militärische Stabilität.
So schien sich unter Basileios II. (957â1025) Byzanz tatsächlich wieder zu einem GroÃreich zu entwickeln. Seine Vorgänger hatten den oströmischen Einfluss bereits bis nach Syrien und kurzzeitig sogar bis Palästina ausdehnen können; Basileios gewann nun während seiner Regierungszeit Süditalien zurück und sicherte zudem die Grenzen auf dem Balkan: Er eroberte in jahrelangen Kämpfen das erste bulgarische Reich, was ihm den Beinamen Bulgaroktónos (»Bulgarentöter«) einbrachte. Im Jahr 1018 wurde Bulgarien eine byzantinische Provinz. Das Oströmische Reich erstreckte sich jetzt von der Adria bis nach Armenien und vom Euphrat bis zur Donau.
Doch die Blütezeit war nicht von langer Dauer. Basileiosâ Nachfolger kümmerten sich nicht mehr um die Armee. Das stehende Heer musste durch unzuverlässigere Söldner ersetzt werden, was eine erhebliche militärische Schwächung bedeutete. Und auÃenpolitisch geriet das Reich durch neue Eindringlinge in Bedrängnis: Die Normannen holten sich Süditalien Anfang des elften Jahrhunderts, und gegen dessen Ende fiel ein GroÃteil Kleinasiens an die Seldschuken, die 1071 das byzantinische Heer in der Schlacht von Manzikert in Ostanatolien vernichteten.
Alexios I. konnte in seiner Regierungszeit (1081â1118) zwar durch eine Reihe militärischer Erfolge die Katastrophe gerade noch einmal abwenden. Er war aber auch derjenige, der mit seinem Ruf nach westlicher Hilfe gegen die Muslime 1097 den ersten Kreuzzug ins Land brachte â langfristig mit schrecklichen Folgen! Die von Anfang an nicht gerade entspannten Beziehungen zwischen den selbstbewusst und eigenständig agierenden Rittern und den Oströmern zeigten zunehmend eine aggressive Qualität. Beim vierten Kreuzzug kam es Anfang des dreizehnten Jahrhunderts schlieÃlich zur Katastrophe: Auf Betreiben von einflussreichen venezianischen Machthabern eroberten und plünderten die Kreuzfahrer nicht etwa muslimische Stellungen, sondern Konstantinopel. Sie töteten brutal Tausende von oströmischen Christen und zerstörten â wenn sie nicht zu transportieren waren â unwiederbringliche Schätze: Bilder, Heiligenreliquien und ganze Bibliotheken, raubten und stahlen alles, was kostbar schien, und brachten es nach Venedig oder in andere Gegenden Westeuropas, wo man bereit war, viel Geld dafür zu bezahlen.
Konstantinopel sollte sich von diesem Desaster nie mehr erholen. Jahrhundertelang war es Schutzschild gegen die Islamisierung Westeuropas gewesen. Ironie des Schicksals: Ausgerechnet nach dem Auftritt christlicher Kreuzfahrer konnte es diese Funktion nun nicht mehr wirksam wahrnehmen. Obwohl der oströmische Kaiser Michael VIII. die Stadt im Jahr 1261 zurückeroberte, war der Untergang nicht mehr aufzuhalten. Dem inzwischen mächtigen osmanischen Reich hatten selbst die klügsten und geschicktesten Kaiser nichts mehr entgegenzusetzen. 1326 fielen die bedeutende Stadt Bursa â etwa neunzig Kilometer südlich von Konstantinopel â und die zweitgröÃte byzantinische Metropole Adrianopel an die Türken. Das einst so mächtige Oströmische Reich bestand Anfang des 15. Jahrhunderts schlieÃlich nur noch aus Konstantinopel.
Der 29. Mai gilt auch heute noch bei den Griechen als Unglückstag. Es ist der historische Moment, in dem die Reichshauptstadt Konstantinopel â nach fast zweimonatiger Belagerung â von den Truppen Mehmeds, dem siebten Sultan des osmanischen Reiches, gestürmt wurde. Der letzte byzantinische Kaiser Konstantin XI. starb während der blutigen Kämpfe.
Nach Einnahme der Festung lieà sich der türkische Triumphator die Gelegenheit nicht entgehen, sich an markanter Stelle in die nach oben offene Skala der mittelalterlichen ScheuÃlichkeiten einzutragen: Mehmed lieà allen byzantinischen Adligen verkünden, sie würden in ihre alten Rechte eingesetzt, wenn sie sich meldeten. Diejenigen, die dem Aufruf folgten, lieà er zusammen mit ihren Familien enthaupten. Mit den Köpfen der jüngsten Opfer â Leser unter 18 Jahren, bitte weiterblättern! â wurden die Flammen der in den Kirchen brennenden Kerzen ausgelöscht. Sultan Mehmed gilt dennoch als einer der groÃen, weitsichtigsten Herrscher des osmanischen Reiches.
Die siegreichen
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