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Unterwegs in der Weltgeschichte

Unterwegs in der Weltgeschichte

Titel: Unterwegs in der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Christian Huf
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Eroberer sahen sich nach dem Zusammenbruch als legitime Nachfolger der byzantinischen Kaiser. Aber auch in Russland reklamierten die Patriarchen ihren Anspruch. Moskau bezeichnete sich bald als Drittes Rom, eine staatsrechtliche Fortsetzung fand das Reich allerdings nirgendwo mehr.
    Inzwischen unbestritten sind die Verdienste von Byzanz als Vermittler von Werten und Wissen der Antike. Sie waren der Antrieb für eine große Bewegung in Westeuropa: Ohne sie ist eine Entfaltung der Renaissance und der sich anschließenden Aufklärung gar nicht denkbar.



18. Das Kreuz und das Schwert
    S ie können ihm nicht ausweichen, ihn nicht verfehlen, warum sollten Sie es auch? Hat er doch wie kein anderer der Idee eines vereinten Abendlandes, eines europäischen Reiches Auftrieb gegeben, das antike Erbe, die christliche Religion und die germanische Gedankenwelt unter seiner Herrschaft zusammengeführt. Ja, von ihm, von Karl dem Großen ist die Rede. Fast fünfzig geschichtliche Gestalten verzeichnet das Lexikon unter dem Namen »Karl«, aber immer werden Sie ihn an erster Stelle finden.
    In Aachen begegnen Sie ihm auf Schritt und Tritt. Lassen Sie es am besten schön bunt beginnen und betrachten zuerst das Fresko im Krönungssaal des Aachener Rathauses, das Karl auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung mit den heidnischen Sachsen zeigt. Nehmen Sie dann das Wunderwerk des Kaiserdoms, des im Jahr 805 geweihten Aachener Münsters, ins Visier, das Ihnen schon beim Verlassen des Rathauses entgegenblickt. Im Zentrum des Doms, der achteckigen Pfalzkapelle, geht dann kein Weg mehr an ihm vorbei: dem Erzstuhl des Reiches, etwas schlichter auch Königs- oder Kaiserstuhl genannt.
    Sechs steinerne Stufen führen zum Thron des römischen Kaisers deutscher Nation, dem Sitz des ersten Mannes im Heiligen Römischen Reich, dem Erbe des alten römischen Imperiums. Dieser Thron im Oktogon des Aachener Doms steht für die historischen Zusammenhänge der deutschen und der europäischen Geschichte.
    Der Thronsessel ist ein Ort großer Symbole. Die Marmorplatten, aus denen er gefügt ist, und auch die Stufen stammen nach neueren Mutmaßungen aus der Grabeskirche in Jerusalem. Er steht auf der Westempore der Pfalzkapelle, die als symbolisches Abbild das himmlische Jerusalem darstellt. Sie ist nach Osten ausgerichtet, dem irdischen Jerusalem entgegen. Wer auf diesem Thron Platz nimmt, um die Krönungsinsignien zu empfangen, hält mit dem Reichsapfel das Sinnbild des Erdkreises und des Himmelsgewölbes und mit dem Zepter das Symbol der höchsten Gewalt in den Händen.
    Diese Zeichen kaiserlicher Würde sind Karl dem Großen bei seiner Krönung noch nicht verliehen worden. Verschiedene Gegenstände, zu denen auch Schwert, Mantel, Kreuz und Lanze gehören konnten, wurden erst ab dem dreizehnten Jahrhundert für die Zeremonie bedeutsam. Sie hätten auch zu der Inszenierung, die am Weihnachtstag 800 in Rom stattfand, nicht gepasst. Angeblich soll Karl der Große nämlich durch Papst Leo III. überrascht worden sein: Der setzte ihm, als er sich in der Peterskirche vom Gebet erheben wollte, unerwartet eine goldene Krone auf und erklärte ihn anschließend zum römischen Kaiser. Karl verstand sich von da an als Augustus Imperator Renovati Imperii Romani, als Kaiser des erneuerten Römischen Reiches.
    Die Geschichte mit der Überraschung, die von Karls Biografen Einhard verbreitet wurde, klingt wenig glaubhaft. Eher sind vorherige Absprachen mit einer Handvoll Eingeweihter zu vermuten. Äußeres Anzeichen dafür war allein schon der prächtige Purpurmantel, in dem Karl erschien. Er trug ihn statt fränkischer Bundhose und Wams hier zum ersten und letzten Mal.
    Mit dieser Zeremonie war aus dem König der Franken ein römischer Kaiser geworden, dessen Machtbereich sich über weite Teile Europas erstreckte. Er war die genialische Herrschergestalt, die das mittelalterliche und damit auch das moderne Europa prägte. Das Kerngebiet seines neues Riesenreiches umfasste jene Länder, die rund 1150 Jahre später die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gründen sollten: Frankreich, die Benelux-Staaten, Deutschland und Italien; hinzu kam Nordspanien.
    Karl stammt nicht aus einem alteingesessenen Herrschergeschlecht. Seine Vorfahren waren aber erfolgreich als Heerführer der Merowinger, hatten diese dann ausgeschaltet und sich selbst an die Spitze ihres

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