Unterwegs in der Weltgeschichte
Königreiches gesetzt. Sein GroÃvater Karl Martell ist der Begründer einer mächtigen Dynastie; er hatte sich um Europa schon verdient gemacht, als es ihm gelang, im Jahr 732 den Vorstoà der islamischen Mauren bei Tours und Poitiers zurückzuschlagen. Karl Martells Sohn Pippin III. , Karls Vater, konnte das Reich durch Eroberungen stetig vergröÃern, was natürlich auch dem Papst nicht verborgen blieb. Der war auf der Suche nach einer Schutzmacht für seine Stellung in Italien, und schon Pippin hatte ein sehr starkes Interesse an der Anerkennung durch die Kirche. Das passte. Und tatsächlich begab sich 754 Papst Stephan II. nach Saint-Denis, um mit Pippin ein Bündnis zu schlieÃen. Der kaum sechsjährige Karl war bei dieser Begegnung dabei, sie wurde für ihn zum Schlüsselerlebnis und war die Basis für die dauerhafte Verbindung seiner Familie mit der Kirche. Sie führte auch dazu, dass er sich sein ganzes Leben als Herrscher dazu berufen sah, die Botschaft der Bibel, die Gesetze Gottes zu verbreiten. Und er war davon überzeugt, Kriege gegen die Heiden führen zu müssen, für seinen Glauben töten zu dürfen.
Das bekamen vor allem die Sachsen zu spüren, deren Gebiet Karl christianisieren und seinem Reich einverleiben wollte. Seine Krieger brachten in dem viele Jahre andauernden Unterwerfungskrieg Zerstörung, Tod und Elend in die Dörfer und erzwangen die Umsiedlung Zehntausender Menschen, die für immer ihrer Heimat beraubt wurden. Auch die Vernichtung der Irminsul, des zentralen Heiligtums der germanischen Stämme, konnten die sächsischen Götter nicht verhindern.
Besonders ein Ereignis warf Schatten auf das Bild des groÃen Herrschers Karl: die brutale Massenhinrichtung von über tausend gefangenen Sachsen (sächsische Chronisten sprechen von 4500 Opfern) bei Verden an der Aller (782), deren Wasser sich vom Blut der Getöteten rot gefärbt haben soll. Schon zu seinen Lebzeiten regte sich Kritik an Karls Racheakt, heute erinnern in Verden 4500 im Jahr 1935 â ganz im Geiste der damaligen Zeit â gesetzte Steine an das blutige Geschehen.
Dreizehn Jahre dauerte der Krieg gegen Widukind, den Anführer der Sachsen, und seine Aufständischen, die sich weder dem christlichen Glauben noch der politischen Herrschaft der Franken unterwerfen wollten. SchlieÃlich überzeugten die kirchlichen Berater Karl davon, einen friedlichen Weg einzuschlagen und mit den Sachsen zu verhandeln. Karl stimmte zu, verlangte aber im Gegenzug die Taufe Widukinds. 785 war es so weit. Der kriegsmüde Widukind kam mit einer Gefolgschaft nach Attigny in die Residenz des Königs der Franken und sprach das christliche Glaubensbekenntnis.
Die Taufe Widukinds war ein groÃer Erfolg Karls. Obwohl es noch fast zwanzig Jahre bis zur vollständigen Unterwerfung Sachsens dauern sollte, war er sich recht schnell sicher, dass er nun endlich sein Ziel erreicht hatte: ein christliches Reich mit lauter Christen unter einem christlichen Herrscher.
Sie werden sich vielleicht fragen, ob der kriegerische Karl nicht auch andere Seiten hatte. Er hatte. Mit der Eroberung der Lombardei â seit 774 trug er den Titel Rex Francorum et Langobardorum (König der Franken und Langobarden) â war sein Interesse an antiker Kultur und Wissenschaft geweckt worden, und er brachte eine Art Bildungsreform auf den Weg. Zahlreiche Gelehrte, vor allem Mönche und Kleriker, wurden an seinen Hof gerufen, sie kamen aus allen Teilen Europas. Mit der Bibel und Gottes Wort als Basis gelang ihnen gleichsam eine Wiedergeburt der lateinischen Welt (eine Karolingische Renaissance ), die in den Jahrhunderten zuvor in den Wirren von Kämpfen und Völkerwanderungen ihre Konturen fast ganz verloren hatte.
Aber Karl förderte mit viel Energie auch die Entwicklung einer altfränkischen Volkssprache, der lingua theodisca (zum Volk gehörig), aus der die althochdeutsche Form diutisc hervorging, die sich allmählich zu dem späteren Wort »deutsch« wandelte. Einer sollte schreiben wie der andere, alles sollte von allen gelesen werden können. Karl hatte einen politischen Raum geschaffen, der nun auch zu einem gemeinsamen Sprachraum wurde und das Bewusstsein von Einheit ermöglichte. Tatsächlich war seine groÃe Leistung die Durchsetzung des Wortes »deutsch«. Er legte damit den Grundstein für eine gemeinsame Kultur, für das Entstehen von
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