Unterwegs in der Weltgeschichte
mächtiger Kaiser mit einem Reich, das fast die Ausdehnung des alten römischen Imperiums erreicht hatte (mit Ausnahme Britanniens, Galliens und Nordspaniens).
In seiner Regentschaft wurde auch ein einmaliges Zeugnis byzantinischer Kunst errichtet: die Hagia Sophia mit ihrermonumentalen Kuppelbasilika â die der »heiligen Weisheit« gewidmete Krönungskirche der oströmischen Kaiser in Konstantinopel, der gröÃte Kirchenbau der christlichen Antike und des Mittelalters. Die Türken machten sie 1453 zur Moschee, seit 1934 wird sie als Museum genutzt.
Doch von einer langfristigen Stabilität des Reiches konnte keine Rede sein. Schon während der Regierungszeit Justinians war es nur unter gröÃter Kraftanstrengung möglich gewesen, die Grenzen im Osten gegen die sassanidischen Perser zu halten, und die eroberten Gebiete im Westen fielen nach dem Tod des Kaisers zurück an die germanischen Stämme.
Justinians Nachfolger traten ein schweres Erbe an: Sie hatten es mit leeren Staatskassen, religiösen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen christlichen Gruppierungen und mit nun an allen Grenzen auftauchenden Gegnern zu tun. Insbesondere die Kriege gegen die Anfang des siebten Jahrhunderts heftig anstürmenden Perser brachten das Reich an den Rand des Zusammenbruchs. Kaiser Heraklios konnte nur unter Aufbietung der letzten Kräfte Ende 627 in der Schlacht bei Ninive (im heutigen Irak) die Entscheidung für Ostrom herbeiführen.
Beide Imperien gingen geschwächt aus den Kämpfen hervor. Und es dürfte Heraklios wenig getröstet haben, dass die einstige GroÃmacht Persien schon bald danach, zermürbt von vernichtenden Ãberfällen durch die Sarazenen, im Chaos versank. Das Perserreich spielte weltgeschichtlich in dieser Form nie wieder eine Rolle.
Byzanz konnte sich immerhin erfolgreich gegen eine vollständige islamische Eroberung verteidigen. Den Arabern war es bis zum Ende des siebten Jahrhunderts gelungen, Ãgypten, Syrien, Palästina und ganz Nordafrika zu annektieren. Byzanz konnte sich zwar gegen ihre zahlreichen Attacken verteidigen und dem Untergang entgehen, aber der Preis für das Ãberleben war hoch: Es verlor zwei Drittel seines Territoriums, damit auch einen GroÃteil seiner Steuereinkünfte, und war nun auf die Stadt selbst, Kleinasien, die Ãgäis und einige Küstengebiete in Griechenland beschränkt.
Auch das ausgehende achte Jahrhundert war geprägt von intensiven Abwehrkämpfen in alle Himmelsrichtungen. Zweimal wurde die Hauptstadt erneut von den Arabern belagert, zweimal (678 und 717/18) gelang es Byzanz, die Gefahr unter anderem durch den Einsatz des sogenannten »griechischen Feuers« â einer militärischen Brandwaffe, einer Vorform des Flammenwerfers â abzuwenden.
Die Araber stellten in der Folgezeit keine wirkliche Bedrohung mehr dar, dafür zeigten sich an den nördlichen Grenzen in Gestalt der vordringenden Slawen neue Feinde. Aber auch sie wurden nicht nur aufgehalten, sondern Byzanz konnte sogar Teile der von ihnen in Griechenland besetzten Regionen zurückgewinnen. Doch auch jetzt kam der Balkan nicht zur Ruhe: Die Bulgaren kamen ins Spiel und sollten in den nächsten Jahrhunderten mit ihrer aggressiven Expansionspolitik Byzanz immer wieder in Bedrängnis bringen.
Wir ersparen Ihnen jetzt einige Kapitel und Ereignisse, die Byzanz allerdings nicht erspart blieben: Wechsel der Dynastien, die sich teilweise gewaltsam vollzogen; innenpolitische Zwistigkeiten (etwa der zermürbende Bilderstreit, ausgelöst durch Leo III., der Ikonen als heidnisch deklarierte und verbot); Kämpfe zwischen christlichen Gruppen; Streitigkeiten mit dem Papst in Rom um die Vormachtstellung. In der Zusammenschau all dieser Erschütterungen und Bedrohungen ist es mehr als verwunderlich, dass Ostrom immer noch existierte. Und nicht nur das: Unter den Kaisern der makedonischen Dynastie im zehnten und frühen elften Jahrhundert erreichte Byzanz noch einmal den Status einer GroÃmacht.
Für diesen vorübergehenden Erfolg waren mehrere Faktoren verantwortlich: Die territorialen EinbuÃen waren zwar schmerzlich, machten aber auch mehr Einheitlichkeit möglich. Es gab einen stabilen Beamtenapparat, eine effiziente Verwaltung, eine gemeinsame Sprache â das Mittelgriechische hatte Latein abgelöst. Der nach wie vor florierende Handel wurde unterstützt durch eine ansehnliche
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