Unterwegs in der Weltgeschichte
zwar den lange andauernden Streit, aber die EinbuÃen für das Kaisertum und seine sakrale Aura waren unübersehbar. Die Staufer sollten später versuchen, ihm neue Konturen zu geben. Trotzdem blieb das problematische Verhältnis zwischen Kirche und Reich noch jahrhundertelang bestehen.
Und auch die Fürsten hatten weiterhin ein Wort mitzureden. Ein Regieren ohne ihre Unterstützung sollte auch für die zukünftigen Kaiser nicht möglich sein. Sie schufen damit die Basis für die politische Gestalt des heutigen Deutschland: Die föderale Struktur, also die Aufgliederung in Bundesländer, ist ohne die Präsenz und Potenz der Fürstentümer noch weit über das Mittelalter hinaus nicht denkbar.
Der noch immer schwelende Konflikt zwischen Kreuz und Schwert zeigte sich schon bald nach dem Konkordat von Worms: Papst Bonifaz VIII. (1294 â1303) erneuerte mit seiner Bulle »Unam Sanctam« von 1302 den Anspruch auf eine Ãberordnung des Papsttums über alle weltlichen Gewalten. Hintergrund dieser Bulle war ein Streit um Geld mit König Philipp IV. von Frankreich, dem neuen weltlichen Machtzentrum in Europa. Philipp (1285 â1314), genannt der Schöne, weigerte sich, Gelder aus einer Klerikersteuer nach Rom abzuführen. Als Reaktion exkommunizierte Bonifaz den Monarchen. Der war wenig beeindruckt, berief die Etats généraux , die französische Nationalversammlung, ein und sicherte sich die Unterstützung der Stände. Französische Söldner plünderten den Papstpalast in Rom, und der französische Gesandte soll im Eifer des Gefechts sogar so weit gegangen sein, den Papst zu ohrfeigen. Die Sache eskalierte nur deshalb nicht weiter, weil Bonifaz wenige Wochen später starb.
Die Macht und das Ansehen des Papstes sollten im Spätmittelalter ihren Tiefpunkt erreichen. Nach einem kurzen Pontifikat des unmittelbaren Nachfolgers von Papst Bonifaz erzwang Philipp der Schöne die Wahl des französischen Kardinals de Got zum Papst. Er wurde nicht mehr in Rom, sondern in Lyon gewählt. Als Clemens V. verlegte de Got 1309 seinen Sitz nach Avignon, also in den Herrschaftsbereich der französischen Krone. Ein gewaltiger Palast mit glänzender Hofhaltung konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Päpste zu Dienern Frankreichs geworden waren. Fast siebzig Jahre mussten die Päpste in dieser »Babylonischen Gefangenschaft« verbringen und ihren Pflichten von Avignon aus nachkommen, was sie unter üppiger Prachtentfaltung und zum Vorteil der französischen Könige taten. Der Name der provenzalischen Stadt wurde zum Synonym für Luxus, Laster und Verschwendung.
20. Die Macht und die 8
V iele Wege führen zu den Staufern. Zwei wollen wir Ihnen empfehlen. Der längere von beiden endet in der Nähe von Barletta in Süditalien, wo Friedrich II. von 1240 bis 1250 ein geheimnisvolles Schloss, das Castel del Monte, errichten lieÃ, in dem sich alle Proportionen nach der Zahl 8 richten.
Der zweite und kürzere Weg bringt Sie nach Thüringen auf den waldigen Bergrücken des Kyffhäuser. Dort soll im Gipsgestein der sogenannten Barbarossahöhle Kaiser Rotbart alias Friedrich I. einen langen Schlaf tun, um dann, wenn es die Zeit erfordert (aber tut sie das nicht immer?), ans Tageslicht zurückzukehren und die Welt wieder einzurichten.
Der rotbärtige, aus Sandstein modellierte, sechseinhalb Meter groÃe Friedrich konnte allerdings nicht verhindern, dass ihn seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ein riesiger, in neubarocken Formen gekupferter Wilhelm I. hoch zu Ross überragt und fast zur FuÃnote degradiert. Er konnte sich auch nicht dagegen wehren, dass in nächster Nähe am 6. Mai 1939 ein Hindenburg-Denkmal geweiht wurde und dass er schlieÃlich auch noch als Deckname für den deutschen Angriff auf die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg herhalten musste.
Selbst die Hauptrolle in der Kyffhäusersage lässt sich dem bärtigen Kaiser noch streitig machen. Denn in ihren ersten Ãberlieferungen im 14. und 15. Jahrhundert wird zumeist nur der Name Friedrich genannt. Und ihr Anlass war mit hoher Wahrscheinlichkeit der plötzliche Tod Friedrichs II. , der wegen heftiger Leibschmerzen einen Jagdausflug in Apulien abbrechen musste und dann auf Schloss Fiorentino gebracht wurde. Dort fand er gerade noch Zeit, seine testamentarischen Anweisungen zu geben, ehe er verstarb. Die Frage, ob dies ein
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