Unterwegs in der Weltgeschichte
Herrscher. Und zum ersten Mal passierte etwas, das so niemand erwartete hatte: Die Fürsten â unzufrieden mit der Amtsführung Heinrichs III. â banden ihre Unterstützung für den noch kleinen Mann an eine Bedingung: Er sollte ein gerechter König werden. Hier deutete sich eine Hypothek für den jungen Herrscher an, die den späteren Investiturstreit nachhaltig beeinflussen sollte.
Heinrich III. starb drei Jahre nach der Krönung seines inzwischen siebenjährigen Sohnes, der in den nächsten Jahren unter der Vormundschaft seiner Mutter, Königin Agnes, stand. Die konnte sich der vielen Ratschläge der vielen Männer um sie herum, die sich dazu berufen fühlten, kaum erwehren. Einer der wichtigsten wollte der päpstliche Gesandte Hildebrand werden, indem er durch Besuche am Hof versuchte, den Rechten des Papstes gegenüber dem König wieder Geltung zu verschaffen. Ein anderer, der einflussreiche Erzbischof Anno von Köln, griff als Anführer einer Gruppe von Reichsfürsten sogar zu illegalen Mitteln, um das salische Königshaus gefügig zu machen. Er war 1062 Drahtzieher der Entführung Heinrichs bei Kaiserswerth nahe Düsseldorf, mit der er die Herausgabe der Reichsinsignien erpresste. Drei Jahre musste der junge Mann, der nun im Sinne der Fürsten erzogen werden sollte, bei dem von ihm gehassten Anno bleiben; drei Jahre stellten die Fürsten die Regierung, bis Heinrich durch die zeremonielle Schwertleite am 29. März des Jahres 1065 mündig wurde und die Herrschaft wieder bei den Saliern lag. Agnes konnte ihren Sohn gerade noch davon abhalten, einen Feldzug gegen Anno zu organisieren. Die Entführung blieb für Heinrich das Trauma seines Lebens.
Es gab immer noch keine feste Residenz. Regiert wurde dort, wo der Herrscher sich gerade aufhielt. Wie alle anderen Könige zog Heinrich mit seinem gesamten Hofstaat, also mit bis zu 2000 Menschen, und zur Sicherung der Ernährung auch mit zahlreichen Tieren â Schafen, Rindern, Hühnern â von Pfalz zu Pfalz. Anstrengende 120 000 Kilometer sollte er auf diese Weise im Laufe seines Lebens zurücklegen, das entspricht einer dreimaligen Erdumrundung. Heinrichs Konstitution kam ihm hier entgegen: Als Kind war er häufig krank, als Erwachsener erfreute er sich allerdings einer stabilen Gesundheit und war für seine Zeit bei einer GröÃe von einem Meter achtzig auÃergewöhnlich athletisch.
Seine geliebte Stadt Speyer lieà Heinrich planmäÃig ausbauen, sie wurde Vorbild für andere auf dem ReiÃbrett entstandene Städte wie Leipzig oder Freiburg. Aber auch aus anderen Siedlungen entwickelten sich in dieser Zeit kleine und gröÃere Städte, es war eine Zeit des Aufbruchs und der Innovationen. Das betraf ebenfalls die Klöster, deren Zahl wuchs und die groÃen Zulauf hatten. Die Menschen sollten sich wieder mehr an den Regeln der Kirche als an den weltlichen Vorgaben orientieren. Das forderte vor allen Dingen ein neuer Papst in Rom, und diese Botschaft machte auch vor dem König nicht halt. 1073 hatte Gregor VII. die Stellvertretung Christi auf Erden übernommen. Es war der inzwischen avancierte Mönch Hildebrand, den der siebenjährige Heinrich schon als päpstlichen Gesandten kennengelernt hatte. Libertas ecclesiae , »Freiheit der Kirche«, war die Losung des neuen Papstes, der die Rückkehr zu den Prinzipien des heiligen Benedikt von Nursia (480 â 548) durchsetzen wollte. Der hatte für Mönchsgemeinschaften ein Regelwerk entwickelt, das sich an Zucht und Maà orientierte und später in der Formel ora et labora (bete und arbeite) zusammengefasst wurde. Es sollte auch Schluss sein mit der Einmischung durch die weltliche Macht, insbesondere mit der Vergabe der Bischofsämter durch den König.
Für germanisches Rechtsempfinden war es aber traditionsgemäà keineswegs klar, was für das kanonische Recht, also die eigene Gerichtsbarkeit der römisch-katholischen Kirche, selbstverständlich schien. Die Grundherren, die auf ihrem Territorium ein Kirchengebäude besaÃen, hatten seit jeher das Recht, die Angelegenheiten ihrer Gemeinde zu regeln und auch bei der Besetzung von Stellen und Pfründen ein gewichtiges Wort mitzusprechen. Das galt vor allem für die höheren Ebenen: die Ãmter von Bischöfen und Ãbten. Denn der König verstand sich als Eigentümer aller Kirchen und Klöster in seinem
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