Unterwegs in der Weltgeschichte
begründete das mit Eidbruch, Verletzung des Friedens und Sakrileg, womit die Beschlagnahme von kirchlichem Besitz gemeint war. Ein weiterer Vorwurf lautete: Häresie, also Missachtung der kirchlichen Lehrmeinung. Damit wurden vor allem Friedrichs freundschaftliche Beziehungen zu muslimischen Sarazenen ins Visier genommen. Zu dieser Art von Anschuldigung und Dämonisierung passte die Zeremonie der Absetzung des Kaisers: Die Konzilsteilnehmer nahmen den Urteilsspruch des Papstes stehend und mit brennenden Kerzen in den Händen entgegen, lieÃen dann die Kerzenflammen sinken und löschten sie aus.
In seiner weltberühmten »Göttlichen Komödie«, entstanden um 1315, zwängt Dante den Kaiser ins Innerste einer eisigen Hölle, wo er das Jüngste Gericht und die ewige Verdammnis zu erwarten hat. Aber Friedrich II. war viel zu groÃ, um auf diese Weise einsortiert werden zu können. Sein Format sprengte die Grenzen seiner Zeit. Mit viel taktischem Geschick hielt er die deutschen Fürsten in Schach, die schon seinen GroÃvater Barbarossa in Atem gehalten hatten. Er ordnete die Machtverhältnisse in seinem geliebten Königreich Italien und besiegte nach einem geglückten Täuschungsmanöver in offener Feldschlacht die Truppen der »lombardischen Liga«, eines machtvollen Bündnisses der oberitalienischen Städte. Er zog ins Heilige Land und lieà sich die Krone des Königreichs Jerusalem aufsetzen. Er riskierte den Konflikt mit dem Papst, sicherte sein Reich gegen die Ansprüche des Kirchenstaates, nahm die Exkommunikation in Kauf und förderte â nachhaltig, aber scheinbar ganz nebenbei â die modernen Wissenschaften. Er überlebte zwei Attentatsversuche. Als er am 13. Dezember 1250 starb, war der Bann der römischen Kirche gegen ihn nicht aufgehoben.
Ein rätselhaftes Bauwerk ist mit Friedrich II. verbunden, obgleich nicht bezeugt ist, dass er jemals dort war: Castel del Monte. Dieser Ort hat bis heute sein Geheimnis nicht preisgegeben. War der achteckige Bau ein Jagdschloss oder ein Gebäude zur Aufbewahrung des Staatsschatzes? War er überhaupt ein Zweckbau? Die Architektur erinnert an eine achteckige Krone â auch die Kaiserkrone des Reiches hat acht Ecken, ebenso die Pfalzkapelle in Aachen. Schon im Alten Testament galt die ominöse »8« als Stufe der Vollendung, als Schlusspunkt der sieben Schöpfungstage. Das symbolfreudige Mittelalter erhob sie gänzlich zum Zeichen der Wiedergeburt und Erlösung, der Auferstehung Christi, aber auch des Jüngsten Gerichts.
In der Fülle der Interpretationen finden sich auÃerdem Hinweise auf eine Verbindung zwischen dem Castel del Monte und der Kathedrale Notre-Dame in Chartres, dem Felsendom in Jerusalem und der Cheops-Pyramide. Ein ausgeklügeltes Gangsystem im Innern und ein Fallgitter im Portalbereich könnten aber â jenseits aller Zahlenmystik â auch die sehr bodenständige Meinung bestätigen, dass das Castel eine Fluchtburg war, die dem Kaiser Schutz bieten sollte. Heute gehört das Gebäude dem italienischen Staat und ist seit 1996 UNESCO -Weltkulturerbe.
Friedrich II. war â in vielerlei Hinsicht â ein Wanderer zwischen den Welten: zwischen Italien und Deutschland, zwischen päpstlicher und kaiserlicher Macht, zwischen Abend- und Morgenland, zwischen Mittelalter und Neuzeit. Als er den Thron bestiegen hatte, reichte das Imperium der Staufer von der Nord- und Ostsee bis nach Sizilien. Als er starb, konnten seine Söhne Konrad IV. und Manfred die Dominanz der Dynastie noch eine Weile aufrechterhalten. Aber die »Stauferdämmerung« kündigte sich schon an. Als der im Dom von Messina aufgebahrte Leichnam Konrads IV. , der 1254 einer fiebrigen Krankheit erlegen war, von einem Blitzschlag getroffen wurde, munkelten viele von einem Gottesurteil. König Manfred von Sizilien wurde bis zu seinem Tod auf dem Schlachtfeld 1266 vom unerbittlichen Hass des Papstes Urban IV. verfolgt. Seine Frau Helena starb 1271 in Kerkerhaft, seine Söhne verschwanden in den Gewölben des Castel del Monte, das nun zu einem dunklen Verlies geworden war.
1268 verlor Konradin, der letzte Staufer, die Schlacht von Tagliacozzo gegen die deutlich überlegenen Truppen einer päpstlichen Allianz mit Karl von Anjou, dem Bruder Ludwigs IX. , des französischen Königs. Konradin konnte dem Gemetzel entkommen, geriet aber durch Verrat in die Hände
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