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Unterwegs in der Weltgeschichte

Unterwegs in der Weltgeschichte

Titel: Unterwegs in der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Christian Huf
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Herrschaftsgebiet. Er hatte das Recht, die Gebäude und die dazugehörenden Versorgungseinheiten (Pfründen) zu verwalten, aber auch zu verkaufen, zu tauschen oder zu vererben. Die Ämter von Bischöfen, Erzbischöfen oder Äbten konnte er wie einen Besitz behandeln. So schaffte er sich Verbündete und sicherte sich die Rekrutierung von Soldaten.
    Diese Handhabung – genannt »Laieninvestitur« – wurde von den Vertretern des Klerus nun als unangemessene Einmischung in kirchliche Angelegenheiten empfunden. Denn es ging – wie meistens – nicht nur um Macht, sondern auch um Geld, viel Geld. Kirchenämter wurden gekauft und verkauft. Der König entschied, wer den Zuschlag erhielt. Gregor VII. brandmarkte dies jetzt als Simonie , als eine nach Simon dem Magier benannte missbräuchliche Vermischung von geistlichen und weltlichen Gütern (Apostelgeschichte 8, 5 – 24). Beide Schwerter, das weltliche und das geistliche, seien dem Papst verliehen worden, der das eine weitergeben könne. Gregor sah sich sogar in der Position, als Einziger den Kaiser ins Amt zu rufen und wieder abzusetzen. Im Klartext: Auch die Fürsten dürften nur dem Papst die Füße küssen.
    Diese Ansprüche Gregors, zudem formuliert als politisches Programm, waren in ihrer Absolutheit neu und einzigartig. Die Botschaft gelangte natürlich auch zu Heinrich; der war mehr als empört und verstand die Nachrichten – durchaus zu Recht – als Kampfansage. Sah er sich doch als designierter Kaiser der römischen Christenheit und Nachfolger Karls des Großen, als Herrscher auch über Burgund und Teile Italiens von Gott berufen – wie der Papst. Er ließ einen Brief schreiben, in dem er und seine Bischöfe Gregor aufforderten »herabzusteigen«, also sein Amt niederzulegen und einem anderen Papst Platz zu machen. Man kann sich vorstellen: Die Eskalation war nicht mehr aufzuhalten.
    Gregor antwortete prompt – wie seine Prinzipien es forderten – mit dem Kirchenbann. Das heißt, er setzte den König kurzerhand ab und entband die Untertanen vom Treueid (1076). Das bedeutete im Mittelalter den vollkommenen Ausschluss aus der sozialen Gemeinschaft. Zudem hatte Heinrich nun keinen Zugang mehr zu den kirchlichen Sakramenten, namentlich zum Abendmahl, der Eucharistie. Die erschütternde Nachricht erreichte in wenigen Wochen das Volk, die Bischöfe und auch die Fürsten. Die waren im Zweifel, ob sie sich hinter ihren König stellen sollten, ob Heinrich überhaupt noch ihr König sein konnte, und berieten sich 1076 bei der Reichsversammlung in Trebur.
    Hier zeigte sich, dass die Verquickung von Interessen diesem Konflikt noch eine andere Farbe gab: Er war auch ein Meilenstein in der jahrhundertelangen Auseinandersetzung zwischen Zentralgewalt und den »zentrifugalen Kräften«, das heißt dem Adel, der beharrlich daran arbeitete, sich in den ihm vom König zu Lehen gegebenen – also auf Zeit überlassenen, »geliehenen« – Fürstentümern dauerhaft festzusetzen, um so die Herrschaft des Königs zu vermindern oder abzuschütteln. Die deutschen Fürsten entschieden also mit über Niederlage oder Sieg. Und sie ließen Heinrich als Bedingung für ihre Loyalität eine Botschaft überbringen: Er hatte ein Jahr Zeit, um sich vom Bann des Papstes zu befreien.
    Heinrich war unter Druck, es drohte der Verlust der Krone, und er musste handeln. Schließlich stand sein Entschluss fest: Im Winter 1076/77 brach er auf und machte sich auf den beschwerlichen Weg über die Alpen Richtung Italien. Er musste den Papst treffen, der angeblich dabei war, sich mit den Fürsten zu verbünden. Gregor war auf dem Weg nach Augsburg, erfuhr vom Vorhaben Heinrichs und fürchtete einen Angriff. Er suchte Schutz und fand Unterschlupf bei der papsttreuen Markgräfin Mathilde von Tuszien auf deren Felsenburg Canossa im Apennin, 18 Kilometer südwestlich von Reggio nell’ Emilia. Hier kam es am 25. Januar 1077 zu dem weltgeschichtlich bedeutsamen Bußgang, bei dem sich erstmals ein König der kirchlichen Macht unterwarf.
    Jetzt geriet Gregor seinerseits unter Druck. Er hatte einen Angriff Heinrichs erwartet – und gekommen war ein Mann ohne königliche Insignien, im Büßergewand, der drei Tage lang barfuß kniend in Eis und Schnee um Vergebung flehte. Gregor war klar, dass er sich als Seelsorger auf Dauer einem so

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