Unterwegs in der Weltgeschichte
französischem Boden ausgetragen wird, sieht zuerst die Engländer im Vorteil. Ihre Truppen sind zwar den Ritterheeren des Gegners zahlenmäÃig klar unterlegen, aber dank ihrer neuen Fernwaffen, den Langbogen, gewinnen sie die frühe Schlacht von Crécy (1346) und erringen 1415 einen erneuten Sieg bei Azincourt.
Angesichts der Schlacht von Crécy (nördlich der Somme) hat der Historiker Horst Fuhrmann von der »selbstmörderischen Antiquiertheit des Ritters« gesprochen, dessen Zeit endgültig zu Ende ging. Um nicht von den Franzosen überrannt zu werden, die mit fünffacher Ãbermacht aufmarschiert waren, hatten die Engländer den Kern ihrer Reiterei durch einen Flankenschutz aus Armbrust- und Bogenschützen verstärkt. Die im dreizehnten Jahrhundert aufgekommenen Plattenpanzer der Ritter hielten zwar die Pfeile der kleinen Handbogen ab, nicht aber die mit groÃer Wucht geschleuderten Geschosse der Armbrust und des aus dehnbarem Eschenholz geschnitzten englischen Langbogens.
Jeder der gut ausgebildeten Bogenschützen war in der Lage, in nur einer Minute bis zu sechs gezielte und wirksame Schüsse auf eine Distanz von fast 200 Metern abzugeben. In diesem Pfeilhagel der Engländer verfing sich Angriff auf Angriff, und von den stolzen und scheinbar überlegenen französischen Rittern blieb nur ein trostloses Getümmel aus tödlich getroffenen oder verwundeten Menschen und Pferden übrig. Nach nur neunzig Minuten war die Schlacht für die Franzosen verloren.
Eine Wende im Hundertjährigen Krieg bringt erst das Eingreifen von Jeanne dâArc, einem 17-jährigen Bauernmädchen. Dabei zeigt sich, dass dieser Konflikt, der ursprünglich eine der üblichen dynastischen Auseinandersetzungen war, im 15. Jahrhundert längst eine Angelegenheit des ganzen Volkes geworden ist. Das einfache Mädchen vom Lande fühlt sich von Gott berufen, die Engländer zu besiegen, den Dauphin als rechtmäÃigen König einzusetzen und ihn in Reims als Karl VII. krönen zu lassen. Sie ist politisch und militärisch erfolgreich, muss dies aber mit ihrem Leben bezahlen. Es gelingt den Burgundern, die mit den Engländern verbündet sind, Jeanne gefangen zu nehmen. Ein englisches Gericht unter Beteiligung von Bischöfen verurteilt sie als Zauberin zum Tode. In Rouen wird sie 1431 auf dem Scheiterhaufen verbrannt â mit Duldung der Franzosen (Karl VII. rührt keinen Finger!), die in der Folgezeit die Engländer wieder aus ihrem Land vertreiben. 1453 ist der Hundertjährige Krieg beendet. Nicht aber die Jagd auf angebliche Zauberinnen, Hexen und Ketzer.
Schon seit Jahrhunderten geht die mittelalterliche Kirche gegen alle Auflösungserscheinungen mit besonderer Härte vor. Zwar wird zunächst noch die Anwendung von physischer Gewalt gegen Häretiker â Anhänger einer von der kirchlichen Linie abweichenden »Irrlehre« â abgelehnt. Doch die Strafen sind für die Betroffenen schlimm genug: Enteignung und Verbannung. Bald aber werden Ketzer bei lebendigem Leibe verbrannt. Als erster Herrscher hatte der französische König Robert II. 1017 in Orléans dreizehn Häretiker auf den Scheiterhaufen geschickt. Da die Häresie als Majestätsverbrechen und als Angriff auf die universale Ordnung gilt, verständigen sich die weltlichen und geistlichen Autoritäten darauf, mit allen Mitteln gegen sie vorzugehen. Das dritte Laterankonzil (1179) ruft zum Kreuzzug gegen die Ketzer als innere Feinde auf. Das vierte Laterankonzil (1215) droht konsequenterweise den Fürsten mit Exkommunikation und Entziehung ihrer Länder, wenn sie Häretiker nicht bestrafen.
Friedrich II., der Staufer, der ja nicht in allen Fragen ein aufgeklärter Herrscher war, ordnet 1224 für Sizilien an, dass die weltliche Obrigkeit die vom Bischof überführten Ketzer festzunehmen, sie zu verbrennen oder ihnen die Zunge abzuschneiden habe. Diese Regelung findet auch Papst Gregor IX. angemessen und übernimmt sie für den Kirchenstaat. Wie bei den Kreuzzügen gegen die Ungläubigen erhalten die Teilnehmer der Ketzerverfolgung zwei Jahre Ablass ihrer Sündenstrafen.
1252 macht Papst Innozenz IV. in seiner Bulle »Ad exstirpanda« die Ketzerverfolgung ausdrücklich zur Aufgabe des Staates. Bezeichnend ist die Regelung, dass jeder, der einen Ketzer ausliefert, dessen Besitz vereinnahmen darf. Selbst wenn jemand der Ketzerei
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