Unterwegs: Politische Erinnerungen (German Edition)
rutschen und bekäme ein oder zwei Jahre später die amerikanische Staatsbürgerschaft. Ich glaubte inzwischen zwar, dass in Amerika alles möglich sei, aber davor schreckte ich doch zurück – zumal gerade in Korea aus dem Kalten Krieg zwischen Ost und West ein heißer Krieg geworden war. Als meine Zeit in Amerika nach drei Monaten zu Ende ging, hätte ich sehr gern aus der Nähe beobachtet, wie sich die großen und kleineren Mächte (unter amerikanischer Führung als UNO -Truppen zusammengefasst) in dieser bedrohlichen Krise verhielten, aber nicht gerade als US -Soldat oder in einer der anderen Einheiten, die unter dem Kommando der Vereinten Nationen den Süden der koreanischen Halbinsel zurückerobern sollten.
So kehrte ich nach Köln zurück und arbeitete zunächst in der Regionalredaktion, die im Land zwischen Rhein und Weser nach interessanten Themen suchte und über das Leben in den schwer zerstörten Industriestädten an der Ruhr berichtete. Wahrscheinlich tat mir das ganz gut, denn gerade in der Lokalberichterstattung kann man einiges lernen. Kommentare und Leitartikel zur Welt- und Kulturpolitik oder zur wirtschaftspolitischen Großwetterlage sind manchmal einfacher zu schreiben als Berichte über regionale Ereignisse – da genügt ein kleiner Fehler, um einen Bürgermeister oder Landespolitiker zu einem verbissenen Protest zu veranlassen. Schließlich nutzte ich dann aber doch die erste Gelegenheit, als Augenzeuge aus Korea zu berichten, als deutscher Journalist, nicht als US -Soldat.
Fünf Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs hatte es so ausgesehen, als würden sich die großen Weltmächte in Ostasien in einen neuen Konflikt stürzen. Mitte 1950 waren die amerikanischen Besatzungstruppen und die südkoreanische Armee nach einem Überraschungsangriff des Nordens bis zur Südspitze der koreanischen Halbinsel zurückgedrängt worden. Nach der dramatischen Wendung, die der Kriegseintritt Chinas gebracht hatte, einigten sich Ost und West im Juli 1953 auf einen Waffenstillstand, der die Teilung des Landes besiegelte und dem, wie gesagt, bis heute kein Friedensschluss gefolgt ist. Der Koreakrieg veränderte die allgemeine Einschätzung der Ost-West-Spannungen. Die Gefahr einer neuen Auseinandersetzung auch in Europa stand allen plötzlich vor Augen, und die Alliierten sahen in den Westdeutschen nun nicht mehr nur die ehemaligen Feinde, sondern auch Verbündete, die ihnen helfen könnten, einen Angriff der Sowjetunion zu verhindern oder aufzuhalten.
Ende 1953 stellte die Bundesrepublik Deutschland den Vereinten Nationen ein Feldlazarett für den Einsatz in Korea zur Verfügung – kein Militärlazarett, aber eines, in dem Ärzte und Schwestern vom Deutschen Roten Kreuz Verwundete und Kranke behandeln sollten. Wo es ein deutsches Lazarett gab, so meine Überlegung, mussten eigentlich auch deutsche Journalisten die Genehmigung zur Berichterstattung bekommen. So wandte ich mich mit meinem Anliegen an die zuständigen zivilen und militärischen Einrichtungen der Amerikaner und hatte Glück: Mit einer Befürwortung aus dem US -Verteidigungsministerium gelangte ich an den Pressedienst der Vereinten Nationen. Von nun an ging alles reibungslos. Ich erhielt die Genehmigung, in der Sondermaschine mit dem Lazarett nach Korea zu fliegen, was auf deutscher Seite mehr Erstaunen und Vorbehalte weckte als bei den Amerikanern. Beim Zwischenstopp in Tokio begab ich mich sofort zur Pressestelle des UNO -Oberkommandos, und innerhalb eines Tages besaß ich einen Journalistenausweis und eine amerikanische Uniform, die deutlich mit » UN War Correspondent« gekennzeichnet war und mich als »Nichtkombattanten« auswies. Arbeitsbedingungen und Alltag der Kriegskorrespondenten waren genau, aber großzügig geregelt: Unterbringung in amerikanischen Militärunterkünften bei gleicher Behandlung, wie sie einem Oberst der US -Armee zustand. Ziemlich bemerkenswert für einen fünfundzwanzigjährigen deutschen Journalisten.
Auf dem Feldflughafen von Taegu, dem ersten Stopp auf koreanischem Boden, warteten außer mir noch fünf ältere Offiziere auf eine Militärmaschine nach Norden. Als sie gelandet war, teilte uns der Platzkommandant mit, dass in der Maschine leider nicht mehr für alle Platz sei. Er zog eine Streichholzschachtel aus der Tasche und hielt uns sechs Streichhölzer hin. Wer das kopflose Streichholz zog, musste auf ein anderes Flugzeug warten. Als es dann einen Oberstleutnant traf, wollte ich zu seinen Gunsten verzichten.
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