Unterwegs: Politische Erinnerungen (German Edition)
behalten.
Prosaischer und praktischer war der Kontakt mit koreanischen Journalisten und ihren ersten wiedergegründeten Zeitungen. Für Kookje Ilbo in Pusan, eine der ersten Zeitungen, die aus dem Trümmerchaos auftauchte, schrieb ich gelegentlich eine Kolumne über internationale Politik. Nicht weil ich ein besonders kenntnisreicher Leitartikler war, sondern weil sich koreanische Kollegen und Leser einfach für das interessierten, was Ausländer über die Weltlage dachten. Ich verdiente damit ein wenig Geld, das ich wahrlich gut gebrauchen konnte. Denn die Dollarscheine, die ich als kleines Päckchen aus Deutschland mitgebracht hatte, gingen zur Neige. Es gab keine Bankverbindung zwischen Korea und der Bundesrepublik, nicht einmal zwischen der Bundesrepublik und Japan. Im deutschen Lazarett lieh ich mir hin und wieder etwas Geld, woraufhin in Deutschland WDR -Kollegen den entsprechenden Betrag auf das Konto eines Arztes überwiesen. Auch die Manuskripte aktueller Berichte konnte ich bisweilen von dort nach Hause schicken.
Angesichts des zur Bewegungslosigkeit erstarrten Waffenstillstands im Korea wollte ich mir nun lieber von dem anderen Krieg in Asien, Frankreichs Verteidigung seiner Kolonialherrschaft in Indochina, ein eigenes Bild machen. Ich hatte sogar schon herausgefunden, wie ich nach Saigon, eine der beiden Hauptstädte der französischen Kolonie, gelangen konnte: Ein Rückflugticket Tokio–Düsseldorf ließ sich auf einen Stopp in der thailändischen Hauptstadt Bangkok umschreiben, und von Bangkok, so hatte mir mein belgischer Kollege erzählt, konnte man leicht nach Saigon weiterfliegen. Mein Problem blieb nur, dass ich kein Visum für Indochina besaß und, wie ich herausfand, auch nur schwer eines bekommen würde. Aus dem unbeschreiblichen Wirrwarr, in dem sich Frankreichs Kolonialpolitik befand, hatten zivile und militärische Instanzen verschiedenste Vorrechte für sich abgeleitet; dazu gab es noch die neu entstandene Bürokratie der vietnamesischen Übergangsregierung und einer teilweise selbständigen vietnamesischen Armee. Zum Ärger der Franzosen hatte sich diese von ihnen eingesetzte und unwillig geduldete Übergangsregierung ein nur scheinbar nebensächliches Recht, nämlich die Erteilung kurzfristiger Visa, gesichert. Mehr zufällig traf ich in Bangkok einen jungen vietnamesischen Offizier, der für die Vertretung dieser eigentlich nicht vorhandenen neuen vietnamesischen Regierung arbeitete. Wir waren ungefähr gleich alt und verstanden uns gut. Die Idee, dass ein deutscher Journalist in sein Land reisen würde, gefiel nicht nur ihm, sondern auch seinen Vorgesetzten. Ich erhielt mein Visum und konnte so die Kontrolle der französischen Behörden umgehen, die sehr aufmerksam darüber wachten, was international über das Schicksal der Vietnamesen bekannt wurde.
Nun zog ich also in das Hotel Majestic, einen Prachtbau am Saigon-Fluss. Für die französische Kolonialverwaltung war ich offiziell nicht existent. Von meinem neuen Freund in Bangkok hatte ich die Adresse eines Professors für Volkswirtschaft bekommen, bei dem er einige Jahre vorher studiert hatte. Mit ihm lernte ich einen der ersten Indochina-Vietnamesen kennen, die bei ihrem Studium in Frankreich von den Ideen und Ideologien der Linksintellektuellen geprägt worden waren. Sie waren überwiegend Trotzkisten und wurden von den Vietminh, den Verbündeten der Sowjetkommunisten, verfolgt. Ich traf in Vietnam auf eine für mich weitgehend undurchsichtige Mischung politischer Gruppierungen und hatte Kontakt zu Vertretern unterschiedlicher regionaler Machtzentren mit jeweils eigenen Söldnern und Kämpfern. Von ihnen wurde ich sozusagen von Hand zu Hand weitergereicht. Das war spannend, aber auch der Weg durch einen Irrgarten.
In Bangkok hatte ich Dollar zu einem guten Kurs in französische Kolonialfrancs getauscht. Als das Geld sehr bald knapp wurde, half ein abenteuerlicher Umweg über Südkorea: Noch in Pusan hatte mir die Zeitung Kookje Ilbo vorgeschlagen, meine Artikel zu drucken und anzubieten, denn sie war auch die Verteilungsstelle, über die die englische Nachrichtenagentur Reuters andere koreanische Zeitungen bediente. Nun lieferte ich ein paar Artikel beim Büro von Reuters ab, sie wurden nach Korea weitergeleitet, und ein paar Tage später zahlte man mir in Saigon das Honorar in Dollar aus – nicht viel, aber immerhin etwas. Eine Dauerlösung war das natürlich nicht. Als es ganz eng wurde, verkaufte ich meine Rolleicord-Kamera
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