Unterwegs: Politische Erinnerungen (German Edition)
an den Direktor des Majestic Hotels, und mit dem Geld konnte ich schließlich noch den Flug von Bangkok nach Düsseldorf buchen.
Beinahe hätte ich allerdings die Heimreise noch einmal aufgeschoben. Wochenlang hatten die französischen Armeedienststellen meine Bitte um Zugang zu militärischen Stellungen oder Operationen abgelehnt. Kurz vor meiner Abreise nach Deutschland boten sie mir plötzlich an, mit ihren Truppen zu einem großen und entscheidenden Feldzug aufzubrechen: nach Dien Bien Phu im Norden des Landes, wo eine Schlacht die Überlegenheit der klassischen französischen Kriegführung über die Guerillatechnik der Vietminh beweisen sollte. Doch ich lehnte ab – auch weil ich bezweifelte, dass die französische Strategie Erfolg haben würde. Und tatsächlich erlitten die Franzosen im Mai 1954 eine entscheidende Niederlage, faktisch hatten sie den Krieg verloren. Fast zehntausend französische Soldaten waren gefallen, zehntausend in Gefangenschaft geraten, in der die meisten von ihnen nicht überlebten – darunter viele Deutsche, die aus der Kriegsgefangenschaft in die französische Fremdenlegion übergewechselt waren.
Eines jedenfalls hatte ich in meiner Arbeit als Kriegskorrespondent gelernt: Man tut gut daran, sich so weit wie irgend möglich von militärischen Stellen fernzuhalten. Später, während des Algerienkriegs, waren es die Geheimdienste, die uns Journalisten mit falschen Hinweisen beeinflussen oder verwirren sollten. Außerdem gab es auf französischer wie auf algerischer Seite Gruppierungen, die gegen ihre eigenen Landsleute agierten und uns Korrespondenten in gefährliche Aktionen hineinzuziehen versuchten. Eine andere abschreckende Erfahrung machte ich Ende der sechziger Jahre während des Kriegs in Vietnam. Ich kannte einige junge Amerikaner in wichtigen militärischen und politischen Positionen. Mit einem war ich schon lange befreundet, und wenigstens bei ihm war ich überzeugt davon, dass er mir zwar nicht die ganze Wahrheit erzählen konnte, mich aber auch nicht, wie er es dann tat, aktiv belügen würde. Man hat eben unweigerlich immer nur eine eingeschränkte Sicht auf das Geschehen, wenn man als Korrespondent bei militärischen Einheiten »embedded« ist und zusammen mit ihnen in die umkämpften Zonen fährt.
Als ich Anfang Mai 1954 in Düsseldorf aus dem Flugzeug stieg, hielt ich alles, was ich aus Ostasien mitgebracht hatte, unter dem Arm: einen Schuhkarton, der mit leuchtendem chinesischem Reklametext bedruckt war, darin Seife, ein Rasierapparat und ein kleines Handtuch; hinzu kam, was ich anhatte: ein kurzärmliges Khakihemd, eine olivgrüne Hose und Sandalen. Die Zollbeamten wunderten sich über den frierenden Ankömmling. Aber es war tatsächlich alles, was mir geblieben war. Der Rest war irgendwo zwischen Saigon und Bangkok verlorengegangen, darunter mein ohnehin kleiner Koffer und auch das Keramik-Trinkhorn, das mir mein koreanischer Kunsthistoriker-Freund aus den wiedergefundenen Stücken des zerstörten Nationalmuseums in Seoul herausgesucht hatte. Was leider auch fehlte: die meisten meiner Notizen, Manuskripte, Tonbänder und sämtliche Filmrollen. »Das hätte schlimmer kommen können«, meinte einer der Zollbeamten. Einerseits hatte er damit recht, andererseits konnte er nicht wissen, warum verlorenes Papier so viel für mich bedeutete. Immerhin, den Stoff für zwei große Hörfunkreportagen bekam ich aus dem Handgepäck noch zusammen.
Als dreizehnjähriger Internatsschüler mit Rehkitz in Marienau.
Quelle: Als Internatsschüler mit Rehkitz : Privatarchiv Gerd Ruge
Als Hitlerjunge in Marienau, vorne links.
Quelle: Als Hitlerjunge in Marienau : Privatarchiv Gerd Ruge
Teilnehmer der NWDR-Rundfunkschule, Gerd Ruge vorn im Bild, 1947.
Quelle: Teilnehmer der NWDR-Rundfunkschule : © Schweer/Forschungsstelle Geschichte des Rundfunks in Norddeutschland / NDR
Hörfunkreporter beim NWDR, 1952.
Quelle: Hörfunkreporter beim WDR : WDR
Als Zwanzigjähriger, Köln, 1948.
Quelle: Als Zwanzigjähriger : NDR
Bundeskanzler Adenauer in Moskau, 1955 (in der vorderen Reihe von links: Nikolai Bulganin, Konrad Adenauer, Nikita Chruschtschow, Carlo Schmid).
Quelle: Adenauer in Moskau : Ullstein-Bild
Zum Abschluss der Verhandlungen tauschen Adenauer und der sowjetische Ministerpräsident Bulganin Briefe aus, im Hintergrund links Gerd Ruge, 13. September 1955.
Quelle: Abschluss der Verhandlungen in Moskau : Ullstein-Bild
Vor dem
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