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Unterwegs: Politische Erinnerungen (German Edition)

Unterwegs: Politische Erinnerungen (German Edition)

Titel: Unterwegs: Politische Erinnerungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Ruge
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beschrieben und kritisiert, dass dies einem Landesverrat gleichkomme. Ich kannte Conny Ahlers seit 1947, als er in seiner Jugendzeitschrift Benjamin meine ersten Kommentare abgedruckt hatte, und ich wusste, dass bei dem ehemaligen Fallschirmjäger der Vorwurf des Landesverrats völlig abwegig war. Vielmehr hatten Verteidigungsminister Franz Josef Strauß und Bundeskanzler Adenauer hier in erster Linie eine Gelegenheit gesucht, die verhassten Kritiker des Spiegel auszuschalten.
    Das Ganze war eine verdeckt vorbereitete Aktion, die auch vor anderen zuständigen Regierungsmitgliedern wie dem Justizminister geheim gehalten worden war. Ahlers wurde in Spanien im Urlaub verhaftet und nach Deutschland ausgeliefert, Augstein saß 106 Tage in Untersuchungshaft. Andere Mitarbeiter des Spiegel wurden für kürzere Zeit verhaftet, die Redaktionsräume wurden durchsucht, Akten und Unterlagen beschlagnahmt. In der besetzten Redaktion war keine journalistische Arbeit mehr möglich. Falls es gelang, das Erscheinen des Blattes über mehrere Wochen zu verhindern, so offenbar das Kalkül, würde es bald nicht mehr die finanziellen Reserven haben, um seine Arbeit fortzusetzen. Hier kündigte sich der schwerste Eingriff in die Pressefreiheit an, den die Bundesrepublik seit ihrer Gründung erlebt hatte.
    Je länger allerdings die Spiegel -Affäre andauerte, desto stärker wuchs der Widerstand in der Öffentlichkeit. Es begann damit, dass andere Redaktionen, die ebenfalls im Pressehaus ihren Sitz hatten, den Spiegel -Mitarbeitern Räume zur Verfügung stellten. Bemerkenswert war, dass sich alle großen Redaktionen im Pressehaus beteiligten: Zeit , Stern , Morgenpost sowie Redaktionen aus dem Springer-Verlag. Schon allein das hätte das Bundeskanzleramt in Bonn warnen müssen. Und tatsächlich war der Protest gegen die Polizeiaktion bald nicht mehr nur eine Sache demonstrierender Studenten und der Opposition in Bonn, sondern er erfasste immer mehr Bürger aus unterschiedlichen politischen Lagern. Je mehr Adenauer und Strauß ihre Vorwürfe steigerten, desto umfassender wurden die Proteste und Demonstrationen. Auf dem Höhepunkt der Redeschlacht am 7. November im Bundestag hatte der 86-jährige Kanzler eine hocherregte Erklärung abgegeben: »Wir haben einen Abgrund von Landesverrat im Lande. Wenn von einem Blatt, das in einer Auflage von 500 000 Exemplaren erscheint, systematisch um Geld zu verdienen, Landesverrat getrieben wird … (Unterbrechung durch Zwischenrufe). Auf der einen Seite verdient Augstein am Landesverrat und zweitens verdient er an allgemeiner Hetze gegen die Koalition.« Solche Töne sorgten auch bei solchen Journalisten und Politikern für Unruhe, die dem Spiegel grundsätzlich kritisch gegenüberstanden. Als sich dann herausstellte, dass Strauß Anweisung gegeben hatte, zuständige Stellen und Ministerien im Vorfeld der Untersuchungsaktion zu umgehen, zerbrach die Regierungskoalition und fand erst wieder zueinander, nachdem Strauß seinen Rücktritt erklärt hatte. Der Versuch, ein kritisches Presseorgan wie den Spiegel auszuschalten, war gescheitert. Im Frühjahr 1965 entschied der Bundesgerichtshof schließlich, es hätten keinerlei Beweise vorgelegen, die einen wissentlichen Verrat von Staatsgeheimnissen belegen könnten. Damit war die Spiegel -Affäre offiziell beendet.
    Die großen Proteste hatten in der Bundesrepublik einen Stimmungsumschwung herbeigeführt, der sich in den nächsten Jahren sowohl in einer größeren Zurückhaltung bei Eingriffen in die Pressefreiheit als auch in der ständigen Protestbereitschaft besonders der Studenten ausdrückte. Auch meine Freunde und mich hatte die Sorge um die Pressefreiheit zu Protestversammlungen getrieben. Ausländische Freunde von Amnesty International hatten in Briefen an den deutschen Bundespräsidenten und die Vorsitzenden der Rechtsausschüsse von Bundestag und Bundesrat ihre Besorgnis zum Ausdruck gebracht. Doch es war nicht ganz einfach, für Amnesty International eine Rolle in dieser innerdeutschen Auseinandersetzung zu finden. Das Grundprinzip des Eintretens für eine Dreiergruppe verschiedener Verfolgter war in diesem Fall nicht anwendbar, eine völlige Zurückhaltung aber wäre zutiefst unbefriedigend gewesen. So setzte die Spiegel -Affäre eine Diskussion in Gang, die schließlich zu einer wesentlich erweiterten Aufgabenstellung für AI nicht nur in Deutschland führte. Im Herbst 1962 jedoch ging es nicht zuletzt darum, den Eindruck zu vermeiden, unser Ziel

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