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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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harsches Wort, keine Klage, keine Stichelei; ihr Alter kann noch so spät in der Nacht nach Hause kommen, er kann mitbringen, wen er will, und in der Küche sitzen und reden und Bier trinken und jederzeit wieder gehen. Das ist ein Mann, und dies ist seine Burg.» Er deutete zu der Wohnung hinauf. Wir stolperten los. Die große Nacht war vorüber. Ein Streifenwagen folgte uns misstrauisch ein paar Straßen weit. In einer Bäckerei an der Third Street kauften wir frische Doughnuts und aßen sie auf der grauen, schmutzigen Straße. Ein hochgewachsener, gut angezogener Typ mit Brille kam die Straße dahergestolpert, zusammen mit einem Schwarzen, der eine Trucker-Mütze trug. Sie waren ein seltsames Paar. Ein großer Lastwagen rollte vorbei, und der Schwarze zeigte aufgeregt darauf und versuchte, seine Gefühle auszudrücken. Der lange Weiße schielte verstohlen über die Schulter und zählte sein Geld. «Genau wie Old Bull Lee!», kicherte Dean. «Zählt sein Geld und macht sich alle möglichen Sorgen, und dabei will der andere Junge nur über Lastwagen reden und über Sachen, die er versteht.» Wir folgten ihnen ein Weilchen.
    Heilige Blumen, die in der Luft schwebten, das waren all diese müden Gesichter in der Morgendämmerung Jazz-Amerikas.
    Wir mussten schlafen; Galatea Dunkels Wohnung kam nicht in Frage. Dean kannte einen Eisenbahner, einen Bremser, der Ernest Burke hieß und mit seinem Vater in einem Hotelzimmer an der Third Street hauste. Ursprünglich hatte er sich gut mit den beiden vertragen, doch letzthin weniger, und darum, meinte er, sollte ich es versuchen, sie überreden, dass sie uns bei sich auf dem Fußboden schlafen ließen. Der Alte kam misstrauisch ans Telefon. Er erinnerte sich an mich, an das, was sein Sohn ihm von mir erzählt hatte. Zu unserer Überraschung kam er selbst in die Halle herunter und öffnete uns. Es war ein schäbiges altes, braunes Frisco-Hotel. Wir gingen nach oben, wo der Alte uns netterweise das ganze Bett überließ. «Muss sowieso aufstehen», sagte er und zog sich in die winzige Kochnische zurück, um Kaffee zu kochen. Er fing an, Geschichten aus seiner Eisenbahnzeit zu erzählen. Er erinnerte mich an meinen Vater. Ich blieb auf und hörte mir die Geschichten an. Dean hörte nicht zu, er putzte sich die Zähne und wuselte herum und sagte zu allem, was der Alte sagte: «Ja, richtig, genau.» Endlich schliefen wir. Und am Vormittag kam Ernest von einer Fahrt auf der Western-Division-Linie zurück und warf sich in das Bett, nachdem Dean und ich aufgestanden waren. Der alte Mr.   Burke putzte sich für ein Rendezvous mit seiner nicht mehr ganz jungen Liebsten heraus. Er warf sich in einen grünen Tweedanzug, setzte eine Kappe auf, die ebenfalls aus grünem Tweed war, und steckte sich eine Blume ins Knopfloch.
    «Diese romantischen alten und kaputten Bremser in Frisco leben ein trauriges, aber unersättliches Leben», sagte ich im Badezimmer zu Dean. «Es war sehr nett von ihm, uns hier schlafen zu lassen.»
    «Ja, ja», sagte Dean, ohne hinzuhören. Er lief los, um sich in der Mitfahrerzentrale um einen Wagen zu kümmern. Ich sollte inzwischen zu Galatea Dunkel gehen und unsere Sachen holen. Sie saß am Boden vor ihren Schicksalskarten.
    «Na, dann goodby, Galatea, und ich hoffe, es wird alles gut.»
    «Wenn Ed wiederkommt, gehe ich jeden Abend mit ihm zu Jamson’s Nook, damit er seine Ration Wahnsinn kriegt. Glaubst du, Sal, dass es gutgeht? Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll.»
    «Was sagen die Karten?»
    «Pikass liegt weit weg von ihm. Die Herzkarten sind immer in seiner Nähe – die Herzkönigin ist nie weit weg. Siehst du den Pikbuben hier? Das ist Dean, er ist immer dabei.»
    «Also, in einer Stunde brechen wir nach New York auf.»
    «Eines Tages wird Dean zu so einer Reise aufbrechen und nicht mehr wiederkommen.»
    Ich durfte bei ihr duschen und mich rasieren, und dann nahm ich Abschied und schleppte unser Gepäck hinunter und winkte ein Jitney-Taxi heran, das sind ganz gewöhnliche Taxis in San Francisco, die eine feste Route fahren, und man kann sie an jeder Ecke anhalten und für fünfzehn Cent zu jeder anderen Straßenecke mitfahren, zusammengedrängt mit anderen Fahrgästen, wie im Bus, und dabei reden und Witze erzählen, wie im eigenen Wagen. Die Mission Street war an diesem letzten Tag in Frisco ein einziges Chaos von Baustellen, spielenden Kindern, lachenden Schwarzen auf dem Heimweg von der Arbeit, von Staub und Dreck und Aufregung und dem brodelnden,

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