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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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Ekstasen.

drei
    Als Dean schließlich kam, war alles wie in einem altmodischen Film. Ich war in Babes Haus, es war ein goldener Nachmittag. Ein Wort noch über das Haus. Ihre Mutter war gerade in Europa. Als Anstandsdame fungierte eine Tante, die Charity genannt wurde; mit ihren fünfundsiebzig Jahren war sie putzmunter. In der weit über den Westen verstreuten Rawlins-Familie pendelte sie dauernd von einem Haus zum andern und machte sich überall nützlich. Einst hatte sie ein Dutzend Söhne gehabt. Sie waren alle fortgegangen, hatten sie alle verlassen. Sie war alt, nahm aber Anteil an allem, was wir taten und sagten. Traurig schüttelte sie den Kopf, wenn wir im Wohnzimmer Whisky schlürften. «Sie sollten dazu in den Garten gehen, junger Mann.» Unter dem Dach – in diesem Sommer war das Haus eine Art Pension – wohnte ein Typ namens Tom, der hoffnungslos in Babe verliebt war. Er kam aus Vermont, aus einer reichen Familie, so hieß es, und eine große Karriere mit allem Drum und Dran erwartete ihn dort, aber er zog es vor, in Babes Nähe zu bleiben. An den Abenden saß er im Wohnzimmer, versteckte sein brennendes Gesicht hinter der Zeitung, und jedes Mal, wenn einer von uns etwas sagte, horchte er auf, ließ sich aber nichts anmerken. Besonders rot glühte sein Gesicht, wenn Babe etwas sagte. Wenn wir ihn zwangen, seine Zeitung wegzulegen, sah er uns mit unermesslicher Langeweile und Leidensmiene an. «Wie? O ja, vermutlich.» Mehr sagte er im Allgemeinen nicht.
    Charity saß strickend in ihrer Ecke und beobachtete uns mit ihren Vogelaugen. Es war ihre Aufgabe, auf Anstand zu achten, sie musste aufpassen, dass niemand fluchte. Babe hockte kichernd auf der Couch. Tim Gray, Stan Shephard und ich rekelten uns in den Sesseln. Der arme Tom litt Qualen. Er stand auf, gähnte und sagte: «Na, morgen ist auch noch ein Tag, gute Nacht» und verschwand nach oben. Babe konnte ihn als Verehrer nicht brauchen. Sie war in Tim Gray verliebt, der sich jedoch wie ein Aal wand, um ihren Fängen zu entkommen. So saßen wir auch an einem sonnigen Nachmittag kurz vor dem Abendessen herum, als Dean mit seiner alten Karre vor dem Haus hielt und heraussprang – in einem Tweedanzug mit Weste und Uhrkette.
    «Hephep!», hörte ich ihn draußen auf der Straße. Er war mit Roy Johnson zusammen, der gerade mit seiner Frau Dorothy aus Frisco zurückgekehrt war und nun wieder in Denver lebte. Auch Dunkel und Galatea Dunkel und Tom Snark waren wieder da. Alle waren wieder in Denver. Ich ging hinaus an die Tür. «Na, alter Junge», sagte Dean und streckte seine Pranke aus, «wie ich sehe, ist an diesem Ende der Leitung alles in Ordnung. Hallo-hallo-hallo», sagte er zu jedem. «Ah ja, Tim Gray, Stan Shephard, wie geht es?» Wir stellten ihn Charity vor. «O ja, wie geht es Ihnen? Das hier ist mein Freund Roy Johnson, er war so nett, mich zu begleiten, harrumpf! kch! kch! Gestatten, Major Hoople», sagte er und streckte seine Hand Tom entgegen, der ihn entgeistert anstarrte. «Jaja, Sal, alter Junge, wie sieht’s denn nun aus, wann starten wir nach Mexiko. Morgen Nachmittag? Schön, schön. Ah-hm! Und jetzt, Sal, bleiben mir genau sechzehn Minuten, um zu Ed Dunkel zu fahren, wo ich meine alte Eisenbahneruhr abholen will, damit ich sie kurz vor Ladenschluss in der Larimer Street versetzen kann, aber inzwischen muss ich mich schleunigst und so gründlich, wie es die Zeit erlaubt, in Jigg’s Büfett und ein paar anderen Kneipen umsehen, ob nicht mein alter Herr zufällig da ist, und dann habe ich eine Verabredung mit dem Friseur, den Denver Doll mir immer so warm empfohlen hat, und da ich mich nicht geändert habe in all den Jahren, will ich auch diesem Grundsatz treu bleiben – kch! kch! Und pünktlich um sechs – pünktlich , hörst du? – musst du hier sein, weil ich dann vorbeigesaust komme, um dich auf einen Sprung zu Roy Johnson mitzunehmen, wo wir Gillespie und ein paar ausgesuchte Bebop-Platten hören werden, ein Stündchen Entspannung vor dem großen Abend, den ihr, du und Tim und Stan und Babe, für heute mit Sicherheit geplant habt, ganz unabhängig von meinem Kommen, das übrigens vor genau fünfundvierzig Minuten stattfand, in meinem alten Ford, Baujahr siebenunddreißig, den du dort drüben parken siehst; ich habe die Strecke mit nur einer längeren Pause in Kansas City geschafft, wo ich meinen Cousin besuchen wollte, nicht Sam Brady, sondern den jüngeren …» Und während er all dies sagte, zog er sich eilig um, tauschte

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