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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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Boden in unserem Zelt, eingewickelt in eine Plane, die nach Kuhscheiße stank. Terry hasste ihn; sie sagte, er hänge sich nur an ihren Bruder, um an sie ranzukommen.
    Keine Aussichten also für Terry und mich, bis auf den Hungertod, und so zog ich am nächsten Morgen durchs Land, um Arbeit auf den Baumwollfeldern zu finden. Jeder sagte mir, ich soll zu der Farm an der Landstraße gehen, gleich gegenüber von unserem Camp. Ich ging hin, und der Farmer war gerade in der Küche bei seiner Frau. Er kam heraus, hörte sich meine Geschichte an und machte mich darauf aufmerksam, dass er nur drei Dollar für je hundert Pfund gepflückter Baumwolle zahle. Ich malte mir aus, dass ich mindestens dreihundert Pfund am Tag pflücken würde, und nahm den Job. Er holte ein paar längliche Leinensäcke aus der Scheune und sagte mir, dass das Pflücken schon bei Morgengrauen anfange. Strahlend lief ich zurück zu Terry. Unterwegs kam ein Lastwagen voller Weintrauben vorbei, holperte durch ein Schlagloch und ließ große Büschel Weintrauben auf den heißen Asphalt fallen. Ich hob sie auf und brachte sie nach Hause. Terry freute sich. «Johnny und ich kommen mit und helfen dir.»
    «Pah!», sagte ich. «Kommt nicht in Frage!»
    «Du wirst sehen, wirst sehen, Baumwollpflücken ist schwer. Ich werd dir zeigen, wie’s geht.»
    Wir aßen die Weintrauben, und am Abend kreuzte Rickey auf mit einem Laib Brot und einem Pfund Hackfleisch, und wir machten ein Picknick. In einem größeren Zelt neben unserem wohnte eine ganze Familie von wandernden Baumwollpflückern; der Großvater saß den ganzen Tag auf dem Stuhl, er war zu alt zum Arbeiten; der Sohn und die Tochter und ihre Kinder zogen jeden Morgen bei Tagesanbruch über den Highway zum Feld meines Farmers und machten sich an die Arbeit. Am nächsten Tag, im Morgengrauen, ging ich mit ihnen. Sie sagten, die Baumwolle sei frühmorgens schwerer, wegen des Taus, und man könne morgens mehr Geld verdienen als am Nachmittag. Trotzdem schufteten sie den ganzen Tag, von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang. Der Großvater war während der großen Dürre in den dreißiger Jahren – die gleiche Staubwolke, von der mir mein Cowboy aus Montana erzählt hatte – mit der ganzen Familie in einem klapprigen alten Lastwagen aus Nebraska gekommen. Seither lebten sie in Kalifornien. Sie arbeiteten gern. In den zehn Jahren hatte der Sohn des Alten die Schar seiner Kinder auf vier erhöht; zwei waren schon groß genug, um Baumwolle zu pflücken. Und in dieser Zeit waren sie auf den Feldern des Simon Legree von bitterer Armut zu einer Art lächelnder Respektabilität in besseren Zelten aufgestiegen, und das war alles. Sie waren ungeheuer stolz auf ihr Zelt.
    «Und wann geht’s zurück nach Nebraska?»
    «Pah, da gibt’s kein Zurück. Aber wir wollen gern irgendwann einen Trailer kaufen.»
    Wir bückten uns und fingen mit dem Baumwollpflücken an. Es war wunderbar. Jenseits des Feldes waren die Zelte, gleich dahinter verdorrte braune Baumwollfelder, die sich, so weit das Auge reichte, bis zu den verkarsteten braunen Vorbergen dehnten, und darüber die Schneekuppen der Sierras in der blauen Morgenluft. Das war sehr viel besser als Tellerwaschen an der South Main Street von L. A. Aber ich verstand nichts vom Baumwollpflücken. Ich brauchte zu lange, um das weiße Bällchen aus seinem knisternden Bett zu lösen; die anderen machten es mit einer Drehung aus dem Handgelenk. Außerdem fingen meine Fingerspitzen an zu bluten; ich brauchte Handschuhe oder mehr Erfahrung. Ein altes Schwarzen-Ehepaar war bei uns auf dem Feld. Sie pflückten die Baumwolle mit der gleichen gottergebenen Geduld, die ihre Großväter in Alabama vor dem Bürgerkrieg geübt hatten; so zogen sie stetig durch ihre Reihen, gebückt und traurig, und ihre Säcke schwollen. Der Rücken begann mir zu schmerzen. Doch es war schön, verborgen auf der Erde zu knien. Wenn ich Lust hatte zu rasten, dann tat ich es, mit dem Kopf auf einem Kissen brauner feuchter Erde. Die Vögel sangen zur Begleitung. Ich dachte schon, ich hätte die Arbeit meines Lebens gefunden. Johnny und Terry kamen am heißen, schläfrig machenden Mittag winkend über das Feld und legten sich mit mir ins Zeug. Und verdammt, wenn der kleine Johnny nicht schneller war als ich! Und Terry war natürlich doppelt so schnell. Sie arbeiteten vor mir und ließen Haufen reiner Baumwolle für mich liegen, die ich nur noch in meinen Sack stopfen konnte – Terry große Haufen wie

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