Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
Vom Netzwerk:
lauerte. Sie werde mir nichts tun, sagte Terry, wenn ich sie nicht störte. Ich lag auf dem Rücken und starrte zu ihr hinauf. Dann lief ich zum Friedhof hinüber und kletterte auf einen Baum. Oben auf dem Baum sang ich «Blue Skies». Terry und Johnny saßen im Gras; wir aßen Weintrauben. In Kalifornien lutscht man den Saft aus den Trauben und spuckt die Schale aus, ein wahrer Luxus. Es wurde dunkel. Terry ging zum Essen nach Hause; um neun kam sie zur Scheune und brachte köstliche Tortillas und Bohnenpüree mit. Um Licht zu haben, machte ich ein Holzfeuer auf dem Betonboden der Scheune. Wir liebten uns auf den Obstkisten. Terry stand auf und lief wieder zu ihrer Hütte zurück. Ihr Vater brüllte sie an; ich hörte ihn bis zur Scheune. Sie hatte mir einen Umhang dagelassen, damit ich nicht fror. Ich warf ihn mir über die Schultern und schlich durch den mondhellen Weinberg, um zu sehen, was los war. Ich kroch bis an das Ende einer Rebenreihe und kniete mich in die warme Erde. Ihre fünf Brüder sangen melodiöse Lieder auf Spanisch. Über dem schmalen Dach hingen die Sterne. Rauch blakte aus dem Ofenrohr des Kamins. Es roch nach Bohnenpüree und Chili. Der Alte knurrte. Die Brüder jodelten weiter drauflos. Die Mutter schwieg. Johnny und die anderen Kinder kicherten im Schlafzimmer. Ein Zuhause in Kalifornien; versteckt zwischen den Reben, bekam ich alles mit. Ich kam mir vor wie ein Millionär – ich erlebte ein Abenteuer in der verrückten amerikanischen Nacht.
    Terry kam heraus und knallte die Tür hinter sich zu. Auf der dunklen Straße näherte ich mich ihr. «Was ist los?»
    «Oh, wir streiten die ganze Zeit. Er will, dass ich morgen zur Arbeit gehe. Er sagt, ich soll mich nicht dauernd rumtreiben. Sallie, ich möchte mit dir nach New York.»
    «Aber wie?»
«Ich weiß nicht, Schatz. Du wirst mir fehlen. Ich liebe dich.»
«Aber ich muss fort.»
    «Ja, ja. Wir legen uns noch einmal hin, und dann kannst du gehen.» Wir gingen zurück zu der Scheune. Ich liebte sie unter der Tarantel. Was machte die Tarantel da oben? Wir schliefen eine Weile auf den Obstkisten, während das Feuer langsam ausging. Um Mitternacht ging sie nach Hause; ihr Vater war betrunken; ich hörte ihn krakeelen; dann war es still, er war eingeschlafen. Der Sternenhimmel wölbte sich über dem schlafenden Land.
    Am Morgen steckte Farmer Heffeldinger den Kopf durch das Pferdegatter und sagte: «Na, wie geht’s, Junge?»
    «Gut. Ich hoffe, es ist in Ordnung, dass ich hier bin.»
    «Klare Sache. Du gehst mit der kleinen mexikanischen Biene?»
    «Sie ist ein sehr nettes Mädchen.»
    «Auch sehr hübsch. Ich nehme an, da ist der Bulle mal über den Zaun gesprungen. Blaue Augen hat sie.» Wir redeten über seine Farm.
    Terry brachte mir mein Frühstück. Ich hatte schon meinen Seesack gepackt und war bereit, nach New York zu fahren, sobald ich in Sabinal mein Geld abgeholt hatte. Ich wusste, es wartete dort schon auf mich. Ich sagte Terry, ich müsse aufbrechen. Sie hatte die ganze Nacht darüber nachgedacht und sich damit abgefunden. Sie küsste mich emotionslos im Weinberg und ging durch die Rebenreihen davon. Nach einem Dutzend Schritten drehten wir uns beide um, denn die Liebe ist ein Duell, und sahen einander ein letztes Mal an.
    «Auf Wiedersehen in New York, Terry», sagte ich. In einem Monat wollte sie mit ihrem Bruder mit dem Auto nach New York fahren. Aber wir beide wussten, dass sie es nicht schaffen würde. Nach dreißig Metern drehte ich mich wieder nach ihr um. Sie ging einfach in die Hütte zurück, mit meinem Frühstücksteller in der Hand. Ich ließ den Kopf hängen und sah ihr nach. Ja, so ist das, und ich war wieder unterwegs.
    Ich ging auf dem Highway nach Sabinal und aß schwarze Walnüsse von einem Walnussbaum. Ich ging auf dem Gleis der Southern Pacific und balancierte auf den Schienen. Ich kam an einem Wasserturm und einer Fabrik vorbei. Etwas war gerade zu Ende gegangen. Ich ging zum Telegrafenamt der Eisenbahn, um meine Geldanweisung aus New York zu holen. Es war geschlossen. Ich fluchte und setzte mich auf die Treppe und wartete. Der Mann vom Fahrkartenschalter kam wieder und ließ mich rein. Das Geld war da; meine Tante hatte wieder einmal meinen faulen Arsch gerettet. «Wer gewinnt nächstes Jahr die World-Series?», fragte der hagere alte Fahrkartenverkäufer. Plötzlich wurde mir klar, dass es Herbst war und dass ich nach Hause fuhr, nach New York.
    Ich wanderte die Schienen entlang, in dem traurigen schrägen

Weitere Kostenlose Bücher