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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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Protestgeschrei, nichts Missverstandenes von Körperverletzung oder so? Oh, aber wir wissen, die Zeit.» Er duckte sich über das Lenkrad und gab Gas.
    Hinter Houston war seine Energie, so groß sie war, dann doch erschöpft, und ich setzte mich ans Steuer. Als ich losfuhr, fing es an zu regnen. Inzwischen waren wir auf der endlosen Prärie von Texas, und wie Dean sagte: «Du fährst und fährst und bist am nächsten Abend immer noch in Texas.» Es regnete in Strömen. Ich fuhr durch ein verkommenes kleines Kuhdorf mit matschiger Hauptstraße und war plötzlich in einer Sackgasse gelandet. «He, und was nun?» Die beiden schliefen. Ich wendete und kroch zurück durch das Dorf. Keine Menschenseele weit und breit, kein einziges Licht. Plötzlich tauchte ein Reiter im Regenmantel vor meinen Scheinwerfern auf. Es war der Sheriff. Er trug einen Zehn-Gallonen-Hut, dessen Krempe sich unter der Sturzflut bog. «Wo geht’s nach Austin?» Er zeigte mir höflich die Richtung, und ich fuhr los. Hinter den letzten Häusern sah ich plötzlich zwei Scheinwerfer, die mir im peitschenden Regen direkt entgegenflimmerten. Uff. Ich dachte, ich sei auf der falschen Straßenseite; ich bremste und lenkte nach rechts und spürte, wie ich halb im Schlamm versank; ich lenkte zurück auf die Straße. Die Scheinwerfer kamen noch immer direkt auf mich zu. Im letzten Moment wurde mir klar, dass der andere Fahrer auf der falschen Straßenseite fuhr und es nicht wusste. Ich schwenkte mit fünfzig rechts in den Schlamm; es war flach, zum Glück kein Straßengraben. Der schuldige Fahrer setzte im strömenden Regen zurück. Vier mürrische Landarbeiter, die sich heimlich von ihrer Feldarbeit entfernt hatten, um lieber die Kneipen zu beackern, alle in weißen Hemden, die Arme wettergebräunt und schmutzig, saßen da und starrten mich in der Dunkelheit blöde an. Der Fahrer war genauso besoffen wie alle anderen.
    Er sagte: «Wo geetzn na Houston?» Ich zeigte mit dem Daumen hinter mich. Ich war wie vom Blitz getroffen bei der Vorstellung, dass die Kerle es mit Absicht getan hatten, nur um sich nach dem Weg zu erkundigen – wie ein Bettler, der einem auf dem Bürgersteig den Weg verstellt. Sie starrten reumütig auf den Boden ihres Wagens, wo leere Flaschen kullerten, und ratterten weiter. Ich stieg wieder ein und ließ den Wagen an; er steckte fast dreißig Zentimeter tief im Schlamm. Ich stand in der verregneten Wildnis von Texas und stöhnte.
    «Dean», sagte ich, «wach auf.»
    «Was ist?»
    «Wir stecken im Schlamm.»
    «Was ist passiert?» Ich erzählte es ihm. Er fluchte Himmel und Hölle. Wir zogen alte Schuhe und Pullover an und stürzten uns in den prasselnden Regen. Ich schob mit dem Rücken am hinteren Kotflügel und drückte und wuchtete; Dean schob Ketten unter die durchdrehenden Räder. Im nächsten Moment waren wir von oben bis unten mit Schlamm bespritzt. Wir weckten Marylou inmitten dieser Schrecken und ließen sie Gas geben, während wir schoben. Der gequälte Hudson schleuderte hin und her. Plötzlich schnellte er vorwärts und schlitterte über die Straße. Marylou fing ihn gerade noch rechtzeitig ab, und wir stiegen ein. Und das war’s – die Schinderei hatte uns dreißig Minuten gekostet, wir waren durchnässt und fühlten uns miserabel.
    Ich schlief ein, über und über mit Schlamm bedeckt; als ich morgens erwachte, war der Schlamm verkrustet, und draußen lag Schnee. Wir befanden uns auf dem Hochplateau bei Fredericksburg. Es war einer der härtesten Winter in Texas, ja, in der Geschichte des Westens, die Rinder verendeten wie die Fliegen in den verheerenden Schneestürmen, und sogar in L. A. und San Francisco lag Schnee. Uns war ganz elend. Wir wünschten, wir wären wieder in New Orleans, bei Ed Dunkel. Marylou saß am Steuer; Dean schlief. Sie lenkte mit der einen Hand und schob die andere zu mir nach hinten. Sie wisperte Versprechungen, für später, für San Francisco. Mir lief der Sabber im Mund zusammen. Um zehn übernahm ich das Steuer – Dean war seit zwei Stunden außer Gefecht – und fuhr ein paar Hundert trostlose Meilen durch verschneites Buschland und zerklüftete Steppenhügel. Cowboys mit Baseballkappen und Ohrenschützern ritten vorbei, auf der Suche nach Kühen. Gemütliche kleine Häuser mit rauchendem Schornstein tauchten in größeren Abständen am Straßenrand auf. Am liebsten wäre ich eingekehrt auf ein Glas Buttermilch und einen Teller Bohnensuppe am offenen Feuer.
    In Sonora besorgte ich wieder

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