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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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habe, sagte er, eine Tante in Tulare, Kalifornien, sie habe einen Lebensmittelladen, und wenn wir erst dort wären, könne er etwas Geld für uns auftreiben. Dean wälzte sich vor Lachen am Boden, es war die gleiche Geschichte wie mit dem Jungen in North Carolina. «Ja! Ja!», schrie er. «Wir alle haben eine Tante; na, fahren wir und besuchen wir unterwegs all die Tanten und Onkel und die Lebensmittelläden der Welt!!» Wir hatten also einen neuen Mitfahrer, und er war, wie sich herausstellte, ein netter kleiner Kerl. Er sprach kein Wort, er hörte nur zu. Nachdem er eine Weile Deans Sprüche gehört hatte, war er wahrscheinlich überzeugt, dass er zu einer Horde von Irren ins Auto gestiegen war. Er sagte, dass er von Alabama nach Oregon trampen müsse, wo er zu Hause sei. Wir fragten, was er in Alabama gemacht habe.
    «Ich habe meinen Onkel besucht; er sagte, er hätte einen Job für mich in einer Sägemühle. Aus dem Job ist nichts geworden, und jetzt fahre ich wieder nach Hause.»
    «Nach Hause», sagte Dean, «ja, nach Hause, ich weiß, wir bringen dich nach Hause, wenigstens bis nach Frisco.» Aber wir hatten noch immer kein Geld. Dann fiel mir ein, ich könnte fünf Dollar von meinem alten Freund Hal Hingham pumpen, der in Tucson, Arizona, lebte. Dean sagte sofort, in Ordnung, alles klar, fahren wir also nach Tucson. Und das taten wir.
    In der Nacht kamen wir durch Las Cruces, New Mexico, und bei Tagesanbruch waren wir in Arizona. Ich erwachte aus tiefem Schlaf und sah die anderen friedlich wie Lämmer schlafen; das Auto war weiß Gott wo geparkt, ich konnte es durch die beschlagenen Scheiben nicht sehen. Ich stieg aus. Wir waren in den Bergen: ein himmlischer Sonnenaufgang, kühle, leicht violette Luft, rote Bergflanken, smaragdgrüne Weiden in den Tälern, Tautropfen und sich ständig verändernde Wolken, am Boden Maulwurfslöcher, Kakteen, Mesquitesträucher. Zeit für mich, weiterzufahren. Ich schob Dean und den Jungen zur Seite und rollte mit durchgetretener Kupplung und abgestelltem Motor bergab, um Benzin zu sparen. So kam ich nach Benson, Arizona. Da fiel mir ein, dass ich eine Taschenuhr hatte, die Rocco mir vor kurzem zum Geburtstag geschenkt hatte, eine Fünf-Dollar-Uhr. Ich fragte den Mann an der Tankstelle, ob er in Benson ein Pfandhaus wisse. Es war gleich neben der Tankstelle. Ich klopfte an, jemand erhob sich aus dem Bett, und eine Minute später hatte ich einen Dollar für meine Uhr. Das Geld floss in den Tank. Jetzt hatten wir genug Benzin bis Tucson. Plötzlich tauchte aber, als ich gerade losfahren wollte, ein großer revolverbehängter State Trooper auf, der mich nach meinen Papieren fragte. «Der Typ auf dem Rücksitz hat die Papiere», sagte ich. Dean und Marylou lagen hinten unter Decken. Der Cop befahl Dean auszusteigen. Plötzlich zog er sein Schießeisen und brüllte: «Hände hoch!»
    «Offissah», hörte ich Dean in einem höchst salbungsvollen und lächerlichen Ton sagen, «Offissah, Sir, ich musste mir nur noch schnell die Hose zuknöpfen.» Sogar der Cop musste grinsen. Dean stieg aus, schmutzig, abgerissen, im T-Shirt, rieb sich den Bauch, fluchte und begann überall nach seinem Führerschein und den Wagenpapieren zu suchen. Der Cop durchstöberte unseren Kofferraum. Alle Papiere waren in Ordnung.
    «Nur eine Routinekontrolle», sagte der Cop mit breitem Grinsen. «Ihr könnt weiterfahren, Jungs. Benson ist gar nicht so schlecht – würdet ihr merken, falls ihr hier frühstücken wollt.»
    «Ja, ja, ja», sagte Dean, ohne ihn noch zu beachten, und fuhr los. Wir seufzten vor Erleichterung. Polizisten sind immer misstrauisch, wenn junge Kerle in neuen Autos und ohne einen Cent in der Tasche vorfahren und ihre Uhr im Pfandhaus versetzen müssen. «Oh, sie mischen sich überall ein», sagte Dean, «aber der Cop war besser als diese Ratte in Virginia. Sie wollen nur Leute verhaften und Schlagzeilen machen; sie halten jedes durchfahrende Auto für einen Gangsterschlitten aus Chicago. Haben nichts Besseres zu tun.» Wur fuhren weiter in Richtung Tucson.
    Tucson liegt in einer schönen Landschaft voller Mesquitesträucher an einem Flussbett, darüber die verschneite Kette der Catalina-Berge. Die Stadt war eine einzige große Baustelle; Menschen auf der Durchreise, wild, ehrgeizig, fleißig, lebenslustig; Wäscheleinen und Trailer; wimmelnde Straßen mit flatternden Fähnchen; alles in allem sehr kalifornisch. Hingham wohnte an der Fort Lowell Road, die sich unter prächtigen Bäumen

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