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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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ausstaffieren wollen, damit er wie Einstein aussah.
    Diese kreativen Köpfe mit ihren sublimierten Formen der Zerstörung. Jede dritte Kampagne arbeitete mit irgendeiner Anspielung auf Waffen. Die Agentur hatte den Schock der Kampagne für Equinox Oil noch nicht verwunden. Das war eine äußerst kostspielige Aktion gewesen, die in einem Sechzig-Sekunden-Werbefilm gipfelte, gedreht in Jornada del Muerto im hintersten New Mexico. Das erste Testgelände einer Atombombenzündung überhaupt. Ein weißer Fleck auf der Landkarte. Für Unbefugte streng verboten. Charlie hatte übrigens geglaubt, die Idee würde losgehen wie eine Rakete. Man fülle zwei Autos mit Markenbenzin. Eins mit Equinox, das andere mit einer der führenden Konkurrenzmarken. Man fahre die Autos durch die öde Wüste und drehe den Film von Hubschraubern aus, mit Kameras auf Kränen, Verfolgerkameras, Zeitlupe, Stop Action, dem neuesten Know-how. Weißes Auto gegen schwarzes Auto. Klare Aussage. USA gegen UdSSR. Wer als erster am Trinity ist, hat gewonnen – das ist das Denkmal an der Stelle, wo die Bombe hochging. Wir kriegen die Erlaubnis vom Energieministerium, vom Verteidigungsministerium, von der Kommission für Atomenergie, vom Amt für Nationalparks. Wir filmen die Sache. Dauert viele Wochen. Die Kosten pro Sekunde übersteigen jedes Hollywoodepos. Aber das geht ab wie eine Rakete, Baby. Das karge Gestrüpp. Die flimmernde Hitze und die Kuhschädel. Die Sandstürme. Die Vogelperspektive – ein Auto rast los, das andere holt auf. Die darübergelegte Stimme, ein pompöser Sprecher im Tonfall des Kalten Krieges. Welchem Wagen geht zuerst das Benzin aus? Welcher erreicht das Ziel? Meilen pro Gallone. Ein Riesenthema für den Verbraucher. Natürlich reichte das Benzin des weißen Wagens länger, und er erreichte das Ziel als erster. Wir gehen mit dem Film auf Sendung. Jede Menge Schaltungen. Wir dachten, vielleicht gibt es eine Beschwerde von der sowjetischen Botschaft. Wir freuten uns schon drauf. Freie Werbung. Und was passiert? Wir kriegen allerdings Beschwerden. Aber nicht von ausländischen Regierungen. Die Amerikanische Vereinigung für den Fortschritt der Farbigen meldet sich. Wir hören von der Urban League. Wir hören vom Kongreß für Rassengleichheit. Weil das weiße Auto das schwarze Auto besiegt hat. Ein erstaunlicher Feuersturm des Protests. Ein Boykott sämtlicher Equinox-Produkte wird angedroht. Wir ziehen die Werbung zurück. Wir filmen das Ganze noch einmal und tragen selber die Kosten. Zwei Autos. Beide weiß. Ein Auto hat den Buchstaben A aufs Dach gemalt. Ein Auto hat den Buchstaben B aufs Dach gemalt. Und die Moral von der Geschieht': Mixe keine Metaphern nicht.
    »Kosten-pro-Tausend, Dwayne, das ist ein vollkommen überschätztes Instrument und reine Augenwischerei, was die wahre Situation betrifft.« Er wartete darauf, daß Dwayne ihn fragte, was die wahre Situation sei. »Es gibt nur eine Wahrheit. Wer deine Augen kontrolliert, kontrolliert die Welt.«
    In den Tagen nach dem Spiel waren ungefähr zwei Dutzend Menschen unterwegs, Trickser, Gangster, Narren und böse Buben, und sie alle behaupteten, sie hätten den einen, den einzigen Baseball. Von dem Charlie inbrünstig glauben wollte, ebendieser sei das Objekt auf seinem Bücherschrank.
    Ja, der Baseball, der ihn als einen bodenständigen Burschen mit einer kleinen Schwäche auswies, trotz seiner Rüstung aus schimmerndem Stahl. Er ließ sich bei Spadavecchia di Milano eine faschistische Frisur schneiden – genauer gesagt, bei einem Künstler seiner Schule, weil Gianni regelmäßig überbucht war. Er trug gestreifte Hemden mit weißem Kragen oder weiße Hemden mit blauem Kragen. Er trug dermaßen zwanghaft auf Figur geschneiderte Anzüge, daß von einem Furz die Nähte geplatzt wären. Er spielte Squash und Handball, trainierte nach dem Übungsprogramm der kanadischen Luftwaffe, rieb sich Gesicht und Körper mit Bräunungscreme ein und saß den ganzen Winter vor der Höhensonne. Ein bodenständiger Bursche mit einem Ford-Kombi-Herzen, trotz des kecken MGs, den er sich gerade gegönnt hatte, ideal, um durch die Hügel der Berkshires zu kutschieren, wo sie ein Wochenendhaus hatten.
    Ein sentimentaler weinerlicher weißer Bursche.
    Ja, der Baseball, mit dem er so gern seinen Sohn Chuckie bedacht hätte. Charles Jr. Nicht länger der Kaugummi-Knabe von ehedem, sondern inzwischen ein verkrachter Doch-nicht-Student, schmal-gliedrig und schrill, mit Dumdum-Augen und einer Art,

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