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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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breiten Rasen vor der Bascom Hall herunterfielen. Die Studenten rannten jetzt in die Gegenrichtung, eine aufgeregte Menge, manche hielten sich Blechtassen vor den Mund oder hatten ihre Taschentücher rausgeholt, andere schlenderten wie zufällig über den Bürgersteig, zwischen den behelmten Polizeitrupps und dem dichter werdenden Gas, das nun in Wellen auf die Säulenhalle zuströmte, und ein Typ, der eine Gitarre längs auf seinem Kopf abgelegt hatte, schaute an eine Laterne gelehnt zu.
    Die sexy Stimme im Radio wiederholte jetzt den DuPont-Slogan. Bessere Produkte für ein besseres Leben... Chemie macht's möglich. Die Frau genoß die Pause. Sie zog sie in die Länge. Sie stöhnte sich durch die Pause. Sie sprach drängend und erregt bis zur Pause, und dann machte sie eine Pause und stöhnte langsam, und erst dann sprach sie endlich den Slogan zu Ende, ganz befriedigt und schlaff und ausgestöhnt, und dann fing sie wieder von vorne an.
    Die San Francisco Mime Troupe sollte vor dem alten Chemie-Institut sein. Das war das Interessante. Sie sollten Kopien vom Universitätserlaß 122 verteilen, vor dem alten Chemie-Institut, und genau dort waren sie auch, und sie sangen Universitätserlaß 122 gestattet Gewaltanwendung gegen Studenten. Das war interessant, denn es bedeutete, daß die Weißgeschminkten vor der Bibliothek Mitglieder vom »Theater Endstation« sein mußten, der legendären faktoiden Truppe, deren Name allein schon Anlaß zu Spekulationen war oder vielleicht ein Aspekt ihrer Randexistenz.
    Rock-'n'-Roll überall, das mäandernde Jaulen der Rückkopplung gellte aus Fensterlautsprechern auf dem Campus und den nahegelegenen Straßen.
    Die Polizei schlug jetzt richtig zu, die Bullen holten ihre Knüppel raus und schritten unaufhaltsam ein, mit oder ohne Kommando, segelten wild auf ihrem eigenen Oberwasser.
    Der Werber und der Student warteten darauf, gerettet zu werden, und redeten in der Zwischenzeit über Kurse, und sympathisierende Professoren betraten das Gebäude mit Chinakrachern, Rohrstücken und Taschenlampenbatterien Größe D, den Zutaten für eine Mörserattacke, selbstgebastelt.
    Der Radiosender meldete, daß Lyndon Johnson gerade kopfüber an einer Schleppleine aus einem Helikopter baumele, daß er hier in Madison über dem Primatenlabor im Wind schaukle, splitterfasernackt, nachdem er von Unbekannten entführt worden sei.
    Der Radiosender meldete, man könne sein eigenes Napalm herstellen, indem man einen Teil Flüssigreiniger Joy mit zwei Teilen Benzol oder einem Teil Benzin mische. Kräftig schütteln.
    Der neonfarbene VW fuhr durch die Straßen, und Marian schloß das Fenster und schaltete das Radio ein und ging dann auf die Toilette, um die Zigarette runterzuspülen.
    Allmählich begriff sie, daß irgend jemand oder irgendeine Gruppe den Radiosender gekapert hatte, und als der Abend dämmerte, gab ein Mann Anweisungen für die Herstellung einer Kunstdüngerbombe durch. Daß man das Nitrat billig, in Tüten oder lose, in einem Laden für Landwirtschaftsbedarf kaufen könne und wie man das Heizöl hinzufüge und was zu tun sei, um die Mischung zu zünden.
    Dann ein Intervall, Rauschen und kurze Stille. Danach kehrte das Radio zu seiner normalen Sendeform zurück. Was war das?
    Drei Stimmen psalmodierten liturgische Gesänge, ein Priester rezitierte dieselbe Zeile immer wieder, und zwei Meßknaben gaben festgelegte Antworten von sich.
    Bessere Produkte für ein besseres Leben.
    Chemie macht's möglich.
    Bessere Produkte für ein besseres Leben.
    Chemie macht's möglich.
    Bessere Produkte für ein besseres Leben.
    Chemie macht's möglich.
    Sie stellte das Radio ab.
    Dann kam ihr Vater nach Hause und erfuhr von ihrer Mutter das neueste, und sie setzten sich zum Abendessen mit pochiertem Barsch und dem Schleierkraut, und ihr Vater sagte: »Was ist er?«
    Marian fand das lustig und ihr Vater vielleicht auch, ein bißchen. Was konnte sie sagen? Sie konnte sagen, was er nicht war. Das würde einige Zeit in Anspruch nehmen. Aber wenn es darum ging, was er war, nun, sie konnte sagen, daß er Englischlehrer an einer höheren Schule in Arizona war. Aber viel mehr konnte sie nicht sagen, denn viel hatte er ihr nicht erzählt.
    Ihre Mutter redete von den gebrochenen Knochen der Demonstranten, von den Studenten mit Kopfverletzungen, geknüppelt, zugegast, blutend.
    Ihr Vater sagte: »Weißt du, wieviel mir das ausmacht, die Verletzungen der Studenten? Womit soll ich es vergleichen? Ich will ja fair zu ihnen

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