Unterwelt
massiven Heckflosse zu arbeiten. Wir haben Leute, die auf Leitern stehen und mit Spritzen an vier Meter langen Stangen arbeiten, wir haben Leute, die auf den Höhenrudern stehen und auf die verdammte Heckflosse losspritzen.«
»Aber Sie haben Kooperation.«
»Ja, bis zu einem gewissen Punkt kooperiert das Militär. Wir können ihre ausgemusterten Maschinen anmalen. Sie lassen uns malen, und sie haben versprochen, daß das Gelände so bleibt, wie es ist, und sie es für nichts anderes verwenden und das Projekt nicht beeinträchtigen. Nichts, kein einziges Objekt darf auf Dauer innerhalb einer Meile Abstand von dem vollendeten Werk plaziert werden. Außerdem haben wir Stiftungszuschüsse, die Zustimmung vom Kongreß, alle möglichen Genehmigungen. Was noch? Materialspenden von der Industrie im Wert von zigtausend Dollar. Aber vieles, was wir brauchen, müssen wir uns immer noch mit Zähnen und Klauen erkämpfen.«
»Und die trockene Luft von der Wüste, das protegiert das Metall.«
»Sie ist trocken, und sie ist heiß.«
»Sie ist sehr heiß, okay?«
»Ausgemusterte Flugzeuge. Wie am Ende des Zweiten Weltkriegs«, sagte Klara. »Der einzige Unterschied – nein, zwei Unterschiede. Erstens haben wir diesmal nicht in einem richtigen Krieg gekämpft. Wir haben eine Reihe von Nachkriegsbedingungen, ohne daß es Krieg gegeben hat. Und zweitens werden wir die großartigen Maschinen nicht einfach auf irgendeinem Flugplatz verrotten oder als Altmetall verkaufen lassen.«
»Sie werden sie anmalen.«
»Wir sind dabei, sie anzumalen. Wir retten sie vor dem Schneidbrenner. Und das ist sehr komisch, das kann ich Ihnen sagen, denn als ich vor dreißig Jahren das Malen an der Staffelei aufgab und mit meinen Schrottobjekten anfing, da wurde ich deshalb angegriffen. Ich weiß nicht mehr, wann das Wort zum ersten Mal fiel, aber irgendwann fingen sie an, mich die Pennerin zu nennen, und ich darauf, sehr witzig, ha, ha, ich dachte, nach einem Monat ist es vorbei. Aber der Name blieb ziemlich lange an mir hängen, und ich fand es gar nicht mehr lustig.«
»Jetzt sind Sie hier in der Wüste.«
»Wieder beim Schrott. Diesmal sind es keine Spraydosen und Sardinenbüchsen und Shampooverschlüsse und Matratzen. Ich habe mal eine Matratze und ein paar Laken angemalt. Das war das Ende von Ehe Nummer zwei, und genauer gesagt habe ich mein Bett bemalt. Na jedenfalls, jetzt beschäftige ich mich mit B-52-Langstreckenbombern. Ich bemale Flugzeuge, die fünfzig Meter lang sind und noch größere Spannweiten haben und deren Gesamtgewicht, wenn sie mit vollen Treibstofftanks fliegen, vielleicht 250 Tonnen beträgt, leer weiß ich nicht – Flugzeuge, die Atombomben über die ganze Welt getragen haben, trara trara.«
»Das ist keine Matratze.«
»Ich werde Ihnen sagen, was das ist. Das ist ein Kunstprojekt, kein Friedensprojekt. Das ist Landschaftsmalerei, bei der wir die Landschaft selbst benutzen. Die Wüste ist von zentraler Bedeutung für dieses Werk. Sie ist die Einfassung. Die Rahmung. Der vierteilige Horizont. Deshalb haben wir bei der Air Force nicht lockergelassen – eine leergeräumte Zone rund um das vollendete Werk.«
»Ja, es ist wahr, die Landschaft.«
»Warten Sie. Ich bin noch nicht fertig. Ich möchte sagen, bei diesem Weg von kleinen Objekten zu sehr großen, in den Jahren, die ich gebraucht habe, um diese aufgegebenen Maschinen zu finden, nach alldem bin ich dabei, die Farbe wiederzuentdecken. Und ich werde besoffen davon. Ich werde geil davon. Ich sehe Farbe im Schlaf. Ich esse sie und trinke sie. Ich bin eine Frau, die vor lauter Farbe verrückt wird.«
Und sie schaute zu ihrem Publikum, ihren Arbeitern, kurz nur, und sie regten sich und lachten.
»Aber die Schönheit von der Wüste.«
»Sie ist so alt und mächtig. Ich glaube, sie läßt uns fühlen, läßt uns als Kultur, wie jede technologische Kultur, läßt uns fühlen, daß wir uns nicht von ihr überwältigen lassen dürfen. Ehrfurcht und Schrecken, wissen Sie. Nutzlos«, sie wedelte mit einer Hand und lachte, »für Industrie und Fortschritt und so weiter. Deshalb nutzen wir diesen Ort, um unsere Waffen zu testen. Das ist doch nur logisch. Und es erlaubt uns, unsere Meisterschaft zu zeigen. Die Wüste trägt die sichtbaren Spuren all der Sprengungen, die wir durchgeführt haben. All die Krater und Warnzeichen und ›Stop! Nicht weitergehen!‹ – Schilder und Markierungen an den Stellen, wo gefährliche Substanzen vergraben liegen.«
Die Interviewerin
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