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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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daß er wieder einen klaren Kopf bekam. Es kommt nur darauf an, sich hinzusetzen und zu warten, Geduld zu haben. Und außerdem kommt es darauf an, sich nicht zu übergeben. Immer wieder sieht man einen Mann, der am Rinnstein steht und sich übergibt. Er wollte sich nicht als diese Art von Mann sehen.
    Er saß da, und es ging ihm ganz gut, er fühlte sich inzwischen etwas weniger schwindlig und im allgemeinen ganz gut. Baci a tutti, dachte er. Für alle auf der Straße, jawohl, Küsse, und die Gesichter vermischten sich in seinem Kopf, die Bäcker, Großmütter, Straßenfeger, für die Priester, die echten und die falschen.
    Die Kinder nennen es brechen. Ich glaube, ich muß brechen, Johnny.
    Ein Auto fuhr heran, und er hörte die heisere Stimme des Metzgers, der ihn rief. »Albert, che succese?«
    » Hallo, Joe. Frohe Weihnachten.«
    »Es schneit. Geh nach Hause.«
    »Mir geht's gut, mir geht's gut, mir geht's gut.«
    »Soll ich dich mitnehmen?«
    »Fahr nur, fahr, fahr, fahr. Frohe Weihnachten. Mir geht's gut, auf Wiedersehen.«
    Er hörte, wie etwa einen Block entfernt der Zug in den Bahnhof einfuhr. Er hörte ihn um die Kurve quietschen und in den Bahnhof rumpeln, und er saß im hohen Heulen des Windes und wartete, daß sein Kopf wieder ganz klar wurde.

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4
    E s gab tausend Abende, immer derselbe Scheiß, an denen er mit einem Burschen namens Fontana im Sanitärhandel von Fontanas Vater Klopf-Romme spielte, um einen symbolischen Nickel pro Punkt, oder er spielte eine Partie Pool und aß ein Stück Pizza im Half Moon mit JuJu und Patsy, Abende, die immer danebengingen, irgendwie enttäuschend waren, und einmal rief er Loretta vom Kiosk aus an und sagte ihr, er hätte gerade seinen Schwanz in der Hand, und ließ die Pause am anderen Ende auf sich wirken, denn er wußte, sie war mit ihrer Mutter, ihren Brüdern, ihrem Großvater und werweiß-wemnoch in einem Zimmer, und manchmal ging er nach unten und stand allein rauchend da, in der Tür zu Donatos Lebensmittelladen, und spuckte ab und zu Tabakflusen in den Wind.
    Er hatte jetzt ein bißchen Geld. Er gab das meiste von dem, was er verdiente, seiner Mutter, aber zumindest hatte er etwas in der Tasche, schließlich wurde er bald siebzehn, und erging ins Kino und setzte sich mit Allie und Ray auf den Rang, zwei Burschen, die sich mit der Leinwand unterhielten, aber was sollte man nach einer Weile schon zu einem Film sagen, außer immer denselben Scheiß, den man schon tausendmal zuvor gesagt hatte?
    Klara war in dem Zimmer, im Gästezimmer, dem Zimmer, das sie Zentimeter um Zentimeter abmalte, und sie stand an der Staffelei und arbeitete.
    Ja, Albert dachte, Malen würde sie entspannen. Eine Abwechslung, dachte er, von den anderen Dingen, die sie tat.
    Sie hörte auf, wenn es Zeit war, das Kind abzuholen. Einen Augenblick lang hatte sie vergessen, wo sie das Kind geparkt hatte. Wie üblich oben bei dem Mädchen oder auf der anderen Straßenseite bei der Frau, deren Mann Mäntel für Rabbis machte.
    Von Malern erwartet man eine Handschrift. Klara fand, sie hatte ein Kritzeln.
    Sie ging nach oben und holte das Kind ab und kam wieder runter und sagte so was wie, Zeit zum Mittagsschläfchen für kleine Mädchen. Aber Teresa war noch nicht so weit. Schlummerschummerzeit. Aber Teresa teilte ihrer Mutter mit, daß das jetzt noch nicht dran war. Sie milderte ihre Jas und Neins noch nicht ab. Sie war eine offene Wunde aus Brauchen und Wollen und kraftvoller Verweigerung.
    Klara saß am Bett und sprach mit ihr. Nach einer Weile ging sie ins Gästezimmer und stand vor der Staffelei und schaute sich an, was sie gemacht hatte. Was hatte sie gemacht? Sie beschloß, es nicht wissen zu wollen.
    Sie schaute nach dem Kind, das jetzt schlief. Dann schaute sie nach Alberts Mutter. Mrs Ketchel, die Frau, die bei ihr saß, zog ihren Mantel an. Mrs Ketchel schien ihren Mantel jeden Tag ein bißchen früher anzuziehen. Genaugenommen wurden die Tage jetzt länger, da hatte Mrs Ketchel vielleicht so viele andere Dinge zu tun, um die längeren Tage auszufüllen, daß sie nicht mehr so lange bei Alberts Mutter sitzen konnte.
    Klara fand, das Kind ähnele seiner Großmutter. Eine Traurigkeit um die Augen, fand sie. Aber das kann doch nicht sein, oder, bei einem so kleinen Kind? Eine Düsternis, eine brütende Vorahnung von Unglück. Aber sie erfand das doch nicht, oder, indem sie nach Zeichen und Omen suchte.
    Sie saß bei Alberts Mutter im Zimmer. Die Frau war wach und drehte ihren Kopf zu

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