Unterwelt
Ausländische Investitionen, globale Märkte, Konzernübernahmen, der Informationsfluß durch transnationale Medien, der dämpfende Einfluß von Geld, das elektronisch, und von Sex, der cyberspacig ist, von unberührtem Geld und computersafem Sex, die Konvergenz der Konsumentenbedürfnisse – nicht daß die Menschen unbedingt dieselben Sachen, sondern daß sie dieselben Auswahlmöglichkeiten haben wollen.
Wir sind in einem Club namens Der Fußballhooligan. Am Nebentisch sitzt ein Mann, und ich warte schon die ganze Zeit, daß er sich in meine Richtung dreht, damit ich die unglaubliche Ähnlichkeit überprüfen kann.
Ich rede mit Brian Glassic, meinem alten Kumpel Brian, und er scheint mir aufmerksam zuzuhören, über die Musik hinweg. Das nennt sich Kultrock hier, laut, jawohl, aber vor allem durchdringend und eintönig, auf einer eisigen Wellenlänge, und Brian sitzt mit gesenktem Kopf da, nickt ab und zu, zustimmend oder müde – schwer zu sagen.
Manche Dinge verblühen und verblassen, Staaten lösen sich auf, Fließbänder werden kürzer und stehen mit denen anderer Länder in Verbindung. Das Verlangen scheint dies zu erfordern, eine Produktionsmethode, die kulturelle und persönliche Bedürfnisse maßgeschneidert beliefert, nicht Kalte-Kriegs-Ideologien von massiver Uniformität. Und das System tut so, als zöge es mit, als würde es geschmeidiger und erfinderischer, weniger abhängig von rigiden Kategorien. Doch obgleich das Verlangen immer spezieller wird, seidig und intim, produziert die Macht der konvergierenden Märkte ein Augenblickskapital, das in Lichtgeschwindigkeit über Horizonte schießt und für eine gewisse flüchtige Austauschbarkeit sorgt, eine Einebnung von Besonderheiten, die alles betrifft, von der Architektur über die Freizeit bis hin zur Art, wie die Menschen essen und schlafen und träumen.
Hier essen die Leute exotisches Fastfood und trinken Fünfsterne-Cognac, und sie drängen sich auf der Tanzfläche und kippen um, jedenfalls einige, und werden halb bewußtlos an den Rand geschleift.
Ich muß den Kopf senken, um mit Brian zu sprechen, der in seinen Drink zu sinken scheint, aber ich widerstehe dem Drang, mit ihm zu nicken. Nun zitiere ich zwar größtenteils Bemerkungen, die ich früher am Tag von Viktor Maltzow zu hören bekommen habe, dem leitenden Angestellten einer Handelsgesellschaft, aber es lohnt sich, sie zu wiederholen, denn Viktor hat über diese Dinge mitten im Getümmel aller Umwälzungen nachgedacht, die eine Gesellschaft nur aushalten kann.
Brian murmelt, daß er diesen Ort beängstigend findet. Ich schaue mir die Jungs auf der Bühne an, fünf oder sechs Dödel mit Krausköpfen und Armyhosen und Kamikazebomben, die sie sich auf die nackte Brust geschnallt haben – wahrscheinlich Studenten, die sich oberflächlich das Äußere des Selbstmordterrors angeeignet haben.
Aber es ist nicht die Musik, sagt er, oder die Band und ihr Drum und Dran. Und ich glaube, ich weiß, was er meint. Es ist ein Gefühl von Verschiebung und Neudefinition. Denn welche Laune des Zufalls bringt einen solchen Club in den zweiundvierzigsten Stock eines neuen Büroturms voller Maklerbüros, Softwarefirmen, Importgesellschaften und ausländischer Banken, wo private Wachdienste, von diversen Firmen angeheuert, um auf den Korridoren zu patrouillieren, sich manchmal gegenseitig beschießen, und wo der Mann am Nebentisch, mit Kahlkopf, Schlitzaugen und einem Kinnbärtchen, der sich endlich zu mir hindreht, ganz offensichtlich ein professionelles Lenin-Double ist.
Wir nehmen den Fahrstuhl nach unten und gehen auf die Straße, tragen unser Gepäck. Wir können kein Taxi finden, aber nach einer Weile kommt ein Krankenwagen vorbei, und der Fahrer steckt den Kopf durchs Fenster.
»Du gehen Airport?« sagt er.
Wir steigen hinten ein, und Brian schläft auf einer zusammenklappbaren Trage ein. Ungefähr zwanzig Minuten später sehe ich durch die Glasscheibe der Hecktüren eine riesige Plakatwand, auf der ein Striptease-Club wirbt.
INTERAKTIVE SONYA
Nackttanz auf der Datenautobahn
Wir erreichen Scheremetjewo, und der Fahrer will natürlich Dollars. Ich wecke Brian, und wir gehen in den Terminal und schaffen es, den Mann von der Handelsgesellschaft zu finden. Er sagt uns, es bestehe kein Grund zur Eile, da wir uns sowieso auf dem falschen Flughafen befänden. »Wo sollten wir sein, Viktor?«
»Kein Problem. Ich habe arrangiert. Sie waren in Club?«
»Der Club war sehr interessant«, berichte ich
Weitere Kostenlose Bücher