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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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nachweisen. Das hat den Preis gedrückt. Zweitens war das, bevor es den Marktboom mit Memorabilien und die Auktionen bei Sotheby's gab, also bevor jemand vierhunderttausend Dollar für eine winzigkleine Baseball-Karte bezahlte.«
    »Ich weiß nicht«, sagte Sims.
    »Ich auch nicht«, sagte ich.
    Endlich bekam Farish ihren Wein. Sie schaute mich an und fragte: »Wieviel haben Sie bezahlt?«
    »Es ist mir schon peinlich genug. Gehen wir lieber nicht in die Einzelheiten.«
    »Wieso peinlich?«
    »Na ja, ich habe das Objekt nicht wegen des Ruhms und der Dramatik gekauft, die daran hängt. Es geht nicht darum, daß Thomson den Homer geschlagen hat. Es geht darum, daß Branca geworfen hat. Es geht allein ums Verlieren.«
    »Pech«, sagte Glassic und spießte eine Kartoffel von meinem Teller auf.
    »Es geht um das Geheimnis des Pechs, das Geheimnis des Verlierens. Ich weiß nicht. Ich sage immer, ich weiß nicht, und ich weiß es auch nicht. Aber das ist das einzige Ding in meinem Leben, das ich unbedingt besitzen mußte.«
    »Ein peinliches Geheimnis?« fragte Farish.
    »Ja. Erstens, daß man richtig Geld für einen Souvenir-Baseball ausgibt. Dann, daß man ihn aus diesem Grund kauft. Als Erinnerung an das Scheitern. Diesen Augenblick in der Hand zu halten, als Branca sich umdrehte und dem Ball nachschaute, wie er auf die Tribünen flog – von ihm zu mir.«
    Alle lachten, außer Sims.
    Glassic sagte: »Sogar sein Name. Der finstere Ralph Branca. Eine Figur aus einem alten Epos. Wie der finstere, schwankende Ralph im Zwielicht des Sowieso-Sowieso erschlagen ward.«
    »Der schwarzen Pfeile«, sagte die Frau.
    »Sehr gut. Nur daß es natürlich kein Witz ist. Wie lebt es sich wohl mit einem furchtbaren Augenblick?«
    »Einem Augenblick in einem Spiel«, sagte sie.
    »Bis in alle Ewigkeit über das Gras des Außenfeldes zum Clubhaus zu schwanken.«
    Sims verlor langsam die Geduld mit uns.
    »Ich glaube, ihr kapiert nicht, wo der springende Punkt liegt, Sportsfreunde.« Wie er Sportsfreunde sagte. »Wieso Verlieren? Von welchem Scheitern reden wir eigentlich? Sind sie nicht am Ende alle glücklich nach Hause gegangen? Ich meine Branca – Branca hat die Zahl Dreizehn auf seinem Nummernschild stehen. Schließlich sollen wir alle wissen, er war derjenige welcher. Branca und Thomson gehen auf jeden Sportempfang. Sie singen Lieder und erzählen Witze. Sie sind die langlebigste Nummer im Showbusiness. Ihr Sportsfreunde kapiert nicht, was Sache ist.« Er klang, als wären wir frischgeschrubbte Jungstudenten im Jackett. »Branca ist ein Held. Ich meine, Branca kriegte doch jede Chance, um dieses Spiel zu überleben, und wir wissen alle genau warum.«
    Ein leichter Schatten fiel über den Tisch.
    »Weil er weiß ist«, sagte Sims. »Weil die ganze Kiste weiß ist. Weil du überleben und dich aufrappeln und vorwärtskommen kannst, wenn man dich läßt. Aber du mußt weiß sein, damit man dich läßt.«
    Glassic rutschte auf seinem Stuhl herum.
    Sims erzählte die Geschichte von einem Werfer namens Donnie Moore, der bei einem Play-off-Spiel einen entscheidenden Home Run verpatzt und am Ende auf seine Frau geschossen hatte. Donnie Moore war schwarz, und der Spieler, der den Home Run geschlagen hatte, ebenfalls. Und dann erschoß er sich. Er schoß mehrmals auf seine Frau, ohne tödliche Folgen, und dann auf sich selbst. Er hat sich in seiner Waschküche das Hirn weggepustet, sagte Sims. Sims erzählte der Engländerin diese Geschichte, aber mir war sie auch vollkommen neu, und ich sah Glassic an, daß er sich nur mühsam daran erinnern konnte. Ich hatte noch nie von Donnie Moore gehört, den Home Run nicht mitgekriegt und keine Ahnung von den Schüssen. Sims sagte, die Schüsse seien ein paar Jahre nach dem Home Run gefallen, aber direkt darauf zurückzuführen. Donnie Moore durfte sein Scheitern nicht überleben. Die Fans machten ihm nur noch das Leben schwer, und bei den Baseball-Empfängen gab es keine Showeinlagen für ihn.
    Sims wußte eine Menge über die Sache. Er beschrieb ziemlich detailliert, wie Moore auf die Frau geschossen hatte.
    Farish schloß die Augen, um es sich besser vorstellen zu können.
    »Schon klar, was du meinst«, sagte Glassic. »Aber auf der Ebene der Hautfarbe kannst du die beiden Ereignisse nicht vergleichen.«
    »Wie denn sonst?«
    »Thomsons Homer lebt immer weiter, weil er sich vor Jahrzehnten ereignet hat, als die Dinge nicht endlos wiederholt und ausgeleiert und ausgelutscht und ausgeschlachtet wurden,

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