Untitled
un genügend.«
Niemand sagte Schade.
»Als am Ende des Schuljahres die Ehrenliste herauskam«, fuhr Pamela fort, »stand Brad Marensky darauf. Er konnte nicht mit einem Ungenügend auf die Liste kommen, das versichere ich Ihnen.« Sie breitete ihre Hände in einer Ge ste der Verständnislosi g keit aus. »Unmöglich. Ich verlangte ein Gespräch mit Perkins. Seine Sekretärin sagte mir, die Marenskys hätten gegen Brads Note protestiert. Vor dem Ge spräch sah ich in der Zeugnisliste nach, die in einem Ord ner zusammen mit alten Zeugnislisten in Perkins Büro auf bewahrt wird. Das Ungenügend in Geschichte war in ein Gut geändert. Als ich Perkins darauf ansprach, verteidigte er sich nicht einmal. Aalglatt erklärte er, er habe Brad Ma rensky wegen des Fußballspiels Punkte gutgeschrieben. Ich sagte: ›Sie haben eine seltsame Vorstellung von akademi scher Integrität.‹«
Um von amerikanischer Außenpolitik gar nicht zu reden.
»Perkins sagte mir, ich könne mir gerne eine andere Stelle suchen, er habe sogar schon einen hervorragenden Ersatz für mich im Kopf. Ich weiß, das war der junge Deut sche, den er auf Drängen eines Freundes von der Colorado University einstellen sollte. Auch das hatte ich von der Se kretärin gehört.« Pamela zischte a n gewidert. »Nach dem Artikel in der Post über die niedrigeren Prüfungsergebnisse an der Elk-Park-Schule fühlte ich mich ein Weilchen etwas besser, aber es hat mich auch nicht glücklich g e macht. Ich versuche nach wie vor, während der schlimmsten Flaute am Immobilienmarkt seit zehn Jahren Häuser mit vierhun dertsechzig Quadratmetern zu verkaufen.«
Ich murmelte etwas Mitfühlendes. Maria sah mich mit ve r drehten Augen an.
»Suzanne Ferrell war meine Freundin«, sagte Pamela mit einem tiefen, unglücklichen Stoßseufzer. »Mein erster Ge danke war, sie wollte sich ihnen nicht beugen.«
»Wem nicht beugen?« fragte Maria.
»Denen, die glauben, Bildung wäre nur eine Frage der Noten, der Rangfolge in der Klasse und des Studienortes.« Pamela Samuelsons Stimme war spröde vor Zorn. »Es ist so destruktiv!«
Das grelle Schrillen der Türglocke durchschnitt ihren Wutau s bruch. Maria wollte schon ihren Gips von der Otto mane heben, doch Julian hielt sie zurück.
»Ich gehe schon«, sagte er. Als er zurückkam, teilte Maria lächelnd die Leckereien aus, die sie bestellt hatte. Pamela Samuelson erklärte zögernd, sie könne nicht bleiben und ging, immer noch kochend vor Wut. Offensichtlich hatte die verärgerte Lehrerin alles gesagt, was sie zum Direktor, zu Egon Schlichtmaier und zu den geänderten Noten zu sa gen bereit war. Maria bat Julian, einen winzigen Sara-Lee- Schokoladenkuchen aus einer ihrer g e räumigen Kühltru hen zu holen. Ich schnitt ihn auf, und wir schwelgten in großen, kalten Stücken.
»Ich will euch sagen, was meiner Ansicht nach das ganze Problem ist«, sagte Maria nüchtern, während sie grazil Scho koladenkrümel von ihren Fingern leckte. »Es ist wie in einer Familie.«
»Wieso?« fragte ich.
Sie rückte ihren Gips auf der Ottomane zurecht, um sich eine bequemere Lage zu verschaffen, und beäugte das letzte Stück Kuchen. »Welche Menschen hasst man am meisten? Die Menschen, die einem am nächsten stehen. Meine Schwester bekam von meinen Eltern zu ihrem Collegeabschluss einen MG geschenkt. Ich dachte, wenn ich nicht einen gleichwertigen oder besseren Wagen geschenkt be komme, werde ich meine Schwester und meine Eltern Zeit meines Lebens hassen. Hasste ich all die anderen Mädchen in meinem Alter, die draußen in Oshkosh oder Seattle oder Miami einen neuen Wagen bekamen? Nein. Ich hasste die Menschen, die mir nahestanden. Sie besaßen die Macht, mir den Wagen zu schenken oder ihn mir vorzuenthalten, dachte ich, ob es nun vernünftig war oder nicht.« Sie griff nach dem Stück Kuchen und biss mit einem zufriedenen Brummen hinein.
Ich nickte und übertrug das Bild auf die Elk-Park-Schule. »Da draußen könnten siebentausend Leute sein, die sich für die tausend Plätze für Studienanfänger in Yale bewer ben. Wenn du töten würdest, um nach Yale zu kommen, hättest du es auf alle siebe n tausend abgesehen? Nein. Der Mörder macht sich keine Gedanken über all die Leute da draußen, die vielleicht besser sind als er. Er denkt, ich muss die Leute beseitigen, die mir hier im Weg stehen. Dann habe ich die Gewähr, das zu bekommen, was ich will. Eine irrige Schlussfolgerung, aber
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