Untitled
hob ihr Kinn zu einer gebieterischen Geste. Ich tat, als kenne ich keinen von beiden und brachte schnell die erste Käse-Apfel-Platte hinaus in die Küche der Kirche.
Wir murmelten uns durch den Gottesdienst bis zu der Stelle, an dem man dem Priester Gottes Segen wünscht und sich an seine Nachbarn wendet, um ihnen den gleichen Se genswunsch ausz u sprechen. In dieser Gemeinde war der Segenswunsch jedoch das Signal, Neuigkeiten, Bemerkun gen übers Wetter und Kommentare über Krankheitsfälle und abwesende Gemeindemitglieder ausz u tauschen, bis der Priester dem Tohuwabohu ein Ende setzte, um Be kanntmachungen und Ankündigungen zu verlesen. An die sem Tag waren die Segenswunsch-Gespräche leider den Er eignissen an der Privatschule Elk Park vorbehalten.
Als Arch und ich allen Nachbarn höflich die Hand ge schüttelt hatten, überraschte Maria uns, indem sie sich zu uns in die Bank zwängte. Sie erklärte vorwurfsvoll: »Du hast mir gar nicht gesagt, dass du ihn gefunden hast! Nach dem Dinner! Weißt du, dass die Polizei schon bei einigen Eltern war und sie befragt hat? Ich habe gehört, sie verdächtigen diesen Burschen, der bei dir wohnt. Du weißt schon, Ju lian.«
»Was? Wer hat dir das gesagt?«
»Ich habe es gerade gehört«, antwortete sie mit einem Achse l zucken in silbernem Wildleder. »Ich weiß nicht mehr, wer es mir erzählt hat. Oh, Pastor Olson bedenkt uns mit scheinheiligen Blicken. Ich kann jetzt nicht reden.«
Während des Schlussliedes bemerkte ich, dass Audrey Coopersmith während des Gottesdienstes hereingeschlüpft war. Sie stand statuenhaft in der letzten Bank, die Arme vor der Brust ve r schränkt. Sie sah müde aus, war aber sorgfäl tig zurechtgemacht und trug eine lange weiße Schürze über ihrer sackartigen Kleidung. Seit der Trennung von ihrem Mann zeigte Audrey eine Vorliebe für weite, gelblich braune Hemden und graue Hosen, die aussahen, als seien sie für Postbeamte gemacht. Sie nahm nur selten eine Hand tasche mit, stopfte statt dessen eine Brieftasche in die hin tere Hosentasche und ließ den Schlüsselbund an einer Gür telschlaufe baumeln. Obwohl um sie her alle sangen, blieb sie stumm. Ihre dunklen Augen waren halb geschlossen. Ich fragte mich, ob sie um Carls Heimkehr oder um Stärkung ihres Selbstbewusstseins betete. Andererseits schloss das eine vielleicht das andere aus.
Während die Altardiener die Kerzen löschten, gab ich Audrey ein Zeichen, und wir stellten schnell einen Tisch im hinteren Teil der Kirche auf. Ich versuchte, Caroline Daw son in dem Gedränge ausfindig zu machen. Das letzte, was ich brauchen konnte, war, dass der Pflaumenkuchen dezi miert war, ehe sie auch nur ein Stück probiert hatte.
Audrey schlurfte mit einem tief eingegrabenen ver drießlichen Zug um den Mund zu einer der Arbeitsplatten in der Küche. Über das heitere Stimmengewirr hinweg, das aus dem Foyer herei n drang, meinte sie: »Greer Dawsons Mutter ist draußen. Sie möchte etwas von dem Pflaumen kuchen. Ich habe gesagt, ich weiß nichts davon. Sie meinte: ›Also, dann sollten Sie besser mal nachsehen gehen.‹«
Audrey fuhr sich flatternd mit der freien Hand an die Brust. »Warum fragt sie nicht Greer? Sie konnte uns gestern Abend schon nicht helfen, wieso springt sie heute morgen nicht ein? Oder ist wirkliches Servieren zu schwer für den Hammer?«
»Audrey«, meinte ich beschwichtigend, »Greer hat ge stern Abend den Vorträgen zugehört, genauso wie Heather und Julian. Ich kümmere mich um Caroline Dawson.«
Audrey grummelte.
In gewisser Weise hatte sie natürlich recht. Greer D., der Hammer, war nur insofern an der Arbeit für mich interes siert, als sie bei den Zulassungskommissionen für die Hoch schulen den Ei n druck erwecken wollte, dass sie in ihren In teressen und B e gabungen wohl abgerundet war. Ich begriff nicht, wieso sie ihre Erfahrungen nicht abrunden konnte, indem sie im Café ihrer Familie arbeitete, aber vielleicht hatten die Eliteschulen etwas gegen Vetternwirtschaft.
Jedenfalls beanstandete Audrey zu Recht, dass Greer es selten schaffte, die Arbeit für mich mit ihrem vollen Ter minkalender zu vereinbaren. Aber ich konnte es mir nicht leisten, es mir mit ihren Eltern zu verderben, bevor ich sie mit meinen Backkünsten übe r wältigt hatte. Ich reichte einer ernst dreinschauenden Audrey eine Käseplatte. Die saftigen Stücke Pflaumenkuchen verströmten einen ver lockenden Zimtduft. Während
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