Untitled
gedroht. Oder eines anderen Skandals. Nach der ausführlichen Berichterstattung, die die Denver Post den Prüfungsergebnissen gewidmet hatte, war kaum auszudenken, was sie aus einem Knüller wie »Lehrer schläft mit Schülerinnen« machen würden. Und dann die jüngste Krise, die eine ganze Stufe ernster war: der Abschlussredner der Schüle r schaft getötet, ermordet auf dem Schulgelände. Ob Direktor Alfred Perkins diese tödliche Bedrohung für die ins Wanken geratene Stabilität und den nicht mehr un belasteten Ruf seiner Schule übe r stehen konnte, blieb ab zuwarten. Wie tief er in diese Rückschläge verstrickt war oder wie sehr er sich darüber auch nur Sorgen machte, war ebenfalls eine Frage.
Julian meinte, Perkins’ großer Mittelstürmer-Sohn Macguire habe trotz seines kläglichen Ranges im unteren Drit tel der A b schlussklasse gute Chancen, an einem Basketball- College a n genommen zu werden, also am North Carolina State, Indiana oder der University of Nevada, Las Vegas. Die schleppende Stimme und die schweren Lider des pickel- gesichtigen Perkins waren selbst angesichts des Chaos um den gewaltsamen Tod seines Klasse n kameraden seltsam un gerührt geblieben. Macguire musste für seinen gesell schaftlich ehrgeizigen Vater eine ziemliche En t täuschung sein, wenn schon nicht für sich selbst. Andererseits mochte Macguire, wie so viele Komiker, die den Narren spielten, seine eigenen Abwehrmechanismen gegen dieses Gefühl en t wickelt haben.
Ich bemerkte eine Schlammpfütze zu spät, um ihr noch ausz u weichen, und bog in die abschüssige Einfahrt zum Parkplatz des Freizeitzentrums ein. Es war ein lang ge streckter, flacher Ziegelbau aus den siebziger Jahren, der an einem Hang hinter der städtischen High School lag. Die »Freizeit«, wie es im Ort liebevoll hieß, war älter als der Sportclub und bediente eine andere Klientel des Or tes, die größtenteils aus der arbeitenden Bevölkerung stammte. Alle, die für ihren Lebensunterhalt arbeiten mussten, konnten nicht einmal im Traum daran denken, frühmorgens in dem unendlich viel vo r nehmeren Sport club Aspen Meadow zu trainieren, der seine Pforten nicht vor zehn Uhr öffnete.
Ich bog zwischen den verblassten gelben Markierungen in eine Parklücke. Zu meiner Verwunderung hatte schon eine recht b e trächtliche Anzahl Hartgesottener vor dem Freizeitzentrum geparkt. Ich hatte mir irgendwie vorge stellt, ich würde diese Bodybuildin g übung einsam und al lein absolvieren. Ich hoffte inständig, dass diese Fitnessfanatiker ihre Runden im Schwimmbad drehten. Der Gedanke, dass Bekannte mich im Jogginganzug sehen könn ten, war mehr, als ich ertragen konnte.
Meine Schuhe knirschten über den Kies, der mit Salz be streut war, um den Schnee auf den Stufen zum Frei zeitzentrum zu schmelzen. Die Sportanlage, die von Steuer einnahmen unterhalten wurde, die die Einwohner der Um gebung sich selbst auferlegt hatten (Aspen Meadow war ungemein stolz, nicht eingemeindet zu sein), war in ihrer Ausstattung nüchtern und sachlich und b e herbergte ein Schwimmbad (das die städtische High School mi t benutzte), eine Turnhalle, einen Raum für Senioren und drei Squashplätze. Hier gab es keine Dampfbäder, keine Sauna, keine Massagen, keine Solarien, keinen mit Teppichboden aus gelegten Aerobic-Raum, kein Freibad. Ich wusste nicht ein mal, wo der Bodybuildingraum war, bis die Frau am Emp fang, die mit vierzig beschlossen hatte, dass sie eine Zahnspange brauchte, es mir sagte. Sie nahm meine zwölf Dollar und erklärte aus einem kreuz und quer von gefähr lich wirkendem Metall durchzogenen Mund, dass sie vor kurzem einen der Squashplätze umgebaut hatten.
»Die Leute wollen einfach Gewichte heben«, sagte sie mit einem für meinen Geschmack zu langen Seitenblick auf die Wölbungen meines Unterleibes.
Ich fühlte, wie mir bei jedem Schritt in Richtung auf den Raum, in dem tatsächlich Leute schwere Gewichte hoben, weil sie meinten, das sei gut für sie, das Herz tiefer sank. Ich meine, diese Leute wollten in die Breite gehen, sie wollten, dass sich alles an ihnen wölbte, und das wollten sie nicht er reichen, indem sie Fettuccine Alfredo und Käsekuchen aßen! Sie schluckten Näh r stoffzusätze in Pulverform! Was waren das für Menschen, Ve r rückte? Beklommen stieß ich die Tür auf.
Im Raum roch es nicht nur schlecht, es stank erbärmlich. Es war, als hätte man die Wände mit Permanentschweiß ge
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