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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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Genuesischen und Italienischen wiederfinden ließ?
     Und genau da, in der Mitte der Mole, gab es eine Hosteria, häßlich, rauchgeschwärzt, von Menschenhand verschandelt. Eine Bedienung, vielleicht der Patron gar höchstpersönlich, war von einem der Tische zu ihm herübergekommen.
     »Eine Lengua möcht' ich.«
     »Eh-hh?« machte die Bedienung.
     Giovanni merkte, daß er das genuesische Wort für Seezunge gebraucht hatte. Er war völlig durcheinander. »Bringt mir 'ne Linguata«, sagte er auf sizilianisch. Die Seezunge, die ihm kurz darauf serviert wurde, war schön frisch und schön groß.

    Immer noch Sonntag, 2. September 1877

    Als er gesehen hatte und sich klar darüber geworden war, daß um halb fünf nachmittags vom versprochenen Pferd auch nicht ein Schatten (Ùmmira? hieß das hier in Sizilien nicht so?) zu sehen war, zog Giovanni das Badekostüm an, nicht jedoch die Schuhe, machte die Haustüre zu und ging noch einmal den steilen Pfad hinunter, diesmal allerdings, ohne sich die Hand aufzuschlitzen. Er legte sich auf den Sand. Irgendwann schlief er ein, ohne es zu merken. Wenn das Meer auf den Strand schäumte, hatte das manchmal bei ihm diese Wirkung.
     Plötzlich fuhr er hoch. Irgend jemand bewarf ihn von oben mit kleinen Steinen. Er hörte eine Stimme, verstand aber kein Wort. »Abbossìa! Abbossìa! Euer Ehren!« Er stand auf, schaute sich um. Gegen den Himmel, ganz oben am Hang, stand ein Junge und fuchtelte mit den Armen, damit man ihn sehen konnte. »Was gibt's?« rief Giovanni. »Ich hab' das Pferd gebracht! Acchianasse!« Acchianasse? Ja ja, hochkommen. Als er den Pfad hinauf geklettert war, zog der Junge, der um die fünfzehn war, seine Schiebermütze, zum Zeichen des Respekts. »Heiße Michilinu.«
     Draußen vor dem eisernen Tor stand eine geschlossene Kutsche. Das Pferd aber stand festgebunden an einen Baum in der Nähe der Türe und war schon gesattelt. Er hatte den Eindruck, daß es ein elegantes und starkes Pferd war. Er näherte sich ihm, um es zu streicheln, doch das Pferd zog sich zurück. Giovanni blieb mit der halb in die Luft erhobenen Hand stehen. Das Pferd blickte ihn fest und unverwandt an, und ohne sich zu bewegen, ließ Giovanni sich hilflos anblicken. Dann kam das Tier ganz langsam auf ihn zu, bis es mit seinem Hals seine Hand berührte.
     »Es scheint wirklich ein schönes Tier zu sein.«
     »Beddru? Schön? Im ganzen Gebiet von Sizilien gibt's kein gleiches! Und Euer Ehren kann sogar mit ihm sprechen, denn es versteht alles! Besser als ein Christenmensch!«
     »Wie heißt es?«
     »Stiddruzzu.«
     Er hatte den Dialekt noch nicht ganz wiedergefunden, es gab Worte, deren Bedeutung ihm nicht gleich einfiel. Er mußte sich anstrengen, wenn er verstehen wollte. »Stiddruzzu? Kleiner Stern?«
     »Ja, genau. Wegen dem sternförmigen Fleck auf seiner Stirn.«
     Giovanni stieg auf. Der Sattel war richtig, aber die Steigbügel mußten noch angepaßt werden. Er fühlte sich wohl. Gerade wollte er die Steigbügel richten, als plötzlich, mit einem gehörigen Satz, Michilinu hinten aufsprang.
     »Was machst du da?«
     »Cacciasse zur Kutsche rüber.«
     Cacciasse? Zur Kutsche jagen? Wieso wollte Michilinu, daß er zur Kutsche jagte? Michilinu begriff, daß der Fremde nicht verstanden hatte. »Euer Ehren soll schnell auf die Kutsche zureiten.«
     »Warum?«
     »Weil die Signora mir ein Zeichen gegeben hat, wir sollen herankommen.«
     Die Signora? War da eine Frau in der Kutsche? Giovanni schossen vor Scham Wogen von Hitze durch den Körper. Es war lange Zeit her, daß eine Signora ihn nackt oder fast nackt, nur mit Unterhosen bekleidet, gesehen hatte. Sogar am Strand von Rimini, in den Strandbädern, gab es Abgrenzungen und Türen, welche die Männer von den Frauen trennten und Blicke hinüber und herüber verhinderten! Und erst in Sizilien! Zum Glück war die Signora Witwe, denn was man so über die Sizilianer hörte, hätte ihr Mann, wenn sie verheiratet gewesen wäre, ein paar Gewehrkugeln auf ihn abgefeuert, um die Beleidigung zu rächen und die Besudelung ihrer Ehre abzuwaschen. Er sprang vom Pferd, machte die Türe auf, trat ins Haus, lief die Treppe hoch, stürzte ins Schlafzimmer, zog das Badekostüm aus, zog sich hektisch an, sprang geschniegelt und gebügelt hinunter und eilte hinaus.
     Und es hätte nicht viel gefehlt, da hätte er die Witwe umgerannt, die aus der Kutsche gestiegen war und jetzt ganz in der Nähe der Türe saß, auf einem Stuhl, den Michilinu

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