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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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Schüsse waren wie ein einziger. Doch Padre Carnazza blieb am Leben. »Schauen Sie her«, sagte Aliquò.
     Er kramte in seinem Sack, holte eine Pistole von einem halben Meter Länge hervor und schoß, fast ohne zu zielen. Voll getroffen zersprang der Wasserkrug. »Euer Ehren verwendet zu viel Fleiß«, sagte Aliquò.
     »Man schießt nicht mit dem Herzen, sondern mit dem Kopf. Und je leerer der Kopf ist, um so besser geht's. Wenn Euer Ehren erlaubt, bring ich Ihnen bei, wie das geht.«
    Cavaliere Brucculeri wälzte sich die ganze Nacht im Bett, ohne schlafen zu können. Ihm brannte zwar die Beleidigung, die seiner Ehre zugefügt worden war, auf der Seele, aber etwas anderes machte ihn noch nervöser, und zwar der Umstand, daß seine Gattin, nach dem, was dieses Schwein von Priester ihr angetan hatte und was er ihm selbst angetan hatte, so frisch und fröhlich schlafen konnte, und dabei auch noch leicht schnarchte, wie sie es gewöhnlich tat. Wie konnte sie nur! Verstehe einer die Frauen! Beim ersten Tageslicht hielt ihn nichts mehr im Bett. Er stand auf, wusch sich, zog sich an und ging weg. Zu Fuß ging er hinunter bis ins Tal der Tempel und kam danach wieder nach Hause zurück, als es schon Zeit fürs Mittagessen war. Als er eintrat, fand er Signoradonna Romilda am Tisch sitzend vor, mit einer Gabel in der Hand vor einem Teller Spaghetti mit Ragout. »Ich verstehe nicht, wieso du schlafen und essen kannst nach allem, was dir passiert ist!« sagte er mit leiser Stimme, weil das Dienstmädchen in der Küche stand und die Meerbarben für das Hauptgericht briet. »Ehee!« sagte Signoradonna Romilda und seufzte tief. »Ich muß zu Kräften kommen! Verstehst du das nicht? Ich brauche Energie! Und du? Was machst du? Ißt du?« »Nein.«
     Er schloß sich in sein Arbeitszimmer ein, nahm nacheinander den Rasenden Roland, den Armen Guerrino und Ettore Fieramosca zur Hand und suchte die Seiten heraus, auf denen die blutigsten Duelle beschrieben wurden. Durch die Lektüre gestärkt, öffnete er um sechs Uhr die linke Schublade seines Schreibtischs, griff den Revolver, kontrollierte, ob er geladen war, steckte ihn in die Tasche und ging fort, ohne Romilda zu grüßen. Mittlerweile war er entschlossen, Rache für seine beleidigte Ehre zu nehmen. Er begann, auf dem Trottoir vor der Kirche auf und ab zu gehen, in der Erwartung, daß die Vesper bald vorüber wäre. Das Dumme war nur, daß es Sonntag war und viele Leute vorbeikamen: alle fünf Minuten mußte er den Hut lüften und sich verbeugen, mal, um einen Gruß zu erwidern, mal, um eine Person von Stand und Ansehen als erster zu grüßen. Als er den Eindruck hatte, daß auch die letzte Gemeindegläubige aus der Kirche gekommen war, ging er entschlossen hinein. Die Kirche war leer. Er wollte zur Sakristei gehen, blieb aber plötzlich stehen, als er Padre Carnazza in diesem Augenblick herauskommen sah. Der Geistliche gelangte an die Stufen des Hochaltars, kniete nieder und begann, mit gefalteten Händen zu beten. Cavaliere Brucculeri näherte sich ihm, hielt sich aber ein wenig seitlich, um ihn im Profil betrachten zu können. Aus seiner Tasche zog er den Revolver. Indessen hatte Padre Carnazza sich mit einer Hand das Gesicht bedeckt und mit der anderen angefangen, mächtig an seine Brust zu schlagen.
     »Mea culpa! Mea culpa!«
     Im Schein der Kerzen sah Cavaliere Brucculeri, daß der Gottesmann angefangen hatte zu weinen und, unter Schluchzen, irgend etwas murmelte. Um besser hören zu können, machte der Cavaliere einen Schritt nach vorne.
     »Vergib mir, o Herr! Vergib diesem sündigen Fleische!« Wie war es möglich, daß ein Ehrloser, ein Schurke wie der da mit solcher Inbrunst beten konnte? Daß er aufrichtig seine Scheißsünden bereute? Verwirrt hielt der Cavaliere inne und steckte die Waffe wieder in die Tasche. Wie einige Jahrhunderte zuvor ein Prinz von Dänemark (allerdings kannte der Cavaliere die Geschichte nicht), gelangte er zu der Einsicht, daß man keinen Menschen umbringen könne, der gerade betete. Ihm genüg ten die zwanzig Schritte bis zum Portal, um wieder hin auszugehen und zu einer anderen Einsicht zu gelangen, der nämlich, daß er nicht dazu fähig war, einen Menschen umzubringen, ob er nun betete oder nicht. Aber ihn umbringen zu lassen, doch, dazu war er fähig. Padre Carnazza hielt die Ohren gespitzt, bis er die Schritte des Cavalierie in der Kirche nicht mehr hören konnte. Als er aus der Sakristei gekommen war, hatte er Romildas Gatten

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