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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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verheiratet?«
    »Nein. Nicht einmal verlobt.«
     Bei ihr kam es ihm ganz spontan, über seine Verhältnisse zu sprechen.
     »Von wo sind Sie, wenn ich fragen darf?«
     »Ich bin genau hier geboren, in Vigàta.«
     »Ach, wirklich?!«
     »Ja, aber mit drei Monaten bin ich nach Genua gekommen, wo ich aufgewachsen bin, dort habe ich die Schule besucht und studiert, dort…«
     »Ihr Vater und Ihre Mutter leben in Genua?«
     »Sie sind gestorben, als ich noch klein war. Ich bin bei einer Tante aufgewachsen.«
     »Mischineddru! Ach, Sie Armer!« Sie warf ihm, wie ein Streicheln, einen mitleidvollen Blick zu. Giovanni spürte einen kalten Schauer über seinen Rücken laufen: das gleiche Wort, der gleiche Blick wie bei der Spinne im Traum der vergangenen Nacht. Michilinu kam angelaufen. Wie er so auf den Stuhl sprang, war er fast so groß wie Giovanni. Er nahm das Paket mit beiden Händen, hielt es einen Augenblick mit ausgestreckten Armen und reichte es dann Giovanni mit ernstem Gesichtsausdruck. Eine lautlose Zeremonie.
     »Guten Abend«, sagte die Frau, drehte sich um und ging zur Kutsche.
     Giovanni, der lange mit dem Paket in den Händen da stand, erholte sich einigermaßen, gerade so viel, um ein durchtriebenes Lächeln aufzusetzen.

    Die ganze Nacht über konnte Don Memè Moro kein Auge zumachen, er wälzte sich im Bett hin und her, und immer wieder tauchte vor seinen Augen das Gesicht von Padre Carnazza auf. Es würde noch viele Tage dauern, bevor die Antwort des Schiedsentscheids über das Landstück Pircoco einträfe, aber er war sich jetzt schon sicher, daß das Ergebnis negativ sein würde, dafür könnte er seine Hand ins Feuer legen. Am Vormittag ging er wütend und zerstörend durchs Haus, alles, was er in die Hände nahm, fiel zu Boden, auch hatten ihn Beschwerden im Bauch heimgesucht, die ganz sicher nervöse Ursachen hatten und ihn zwangen, mehr Zeit auf dem stillen Örtchen zu verbringen als in den anderen Zimmern. Um auf den Abort zu gehen, mußte er eine Stufe nehmen: zehnmal stieg er sie hoch und zehnmal stolperte er über sie. Und jedesmal, wenn er stolperte, versetzte er ihr einen Tritt. Das Ergebnis war, daß sein Fuß zur Mittagszeit geschwollen war und er humpelte. Er aß nichts. Nachmittags um drei weckte er seine Frau, die ein kleines Schläfchen hielt. »Ich geh' aus dem Haus.«
     »Wo willst du denn hin, so wie du humpelst?«
     »Aufs Land.«
     »Nimm wenigstens einen Stock.«
     Im Haus auf dem Land angekommen, ging Don Memè ins Schlafzimmer, öffnete die Nachttischschublade und nahm die Schachtel mit den Kugeln für den Revolver, den er in der Tasche bei sich trug und der seit dem Vortage leer war. Vierundzwanzig Patronen waren da, und das hieß vier volle Ladungen. Er ging in den Hof hinunter und während er die Waffe lud, kam ein Alter vorbei, der seine Ziegen auf dem Landstück weidete, ein Siebzigjähriger, den alle nur beim Familiennamen riefen, Aliquò, und von dem es hieß, daß er in seiner Jugend irgend welche Probleme mit dem Gesetz gehabt habe.
     »Küßdiehand«, sagte er und nahm die Schiebermütze ab.
     Don Memè erwiderte den Gruß nicht einmal. Aliquò setzte sich auf einen kaputten Strohstuhl und legte den Quersack neben sich ab. Er war neugierig zu sehen, was Don Memè mit dem Revolver in der Hand tun wollte. Memè Moro stellte einen tönernen Wasserkrug auf ein Mäuerchen und entfernte sich danach fünfundzwanzig Schritt. Er schoß die erste Ladung leer, wobei er bei jedem Schuß genau zielte: der Krug blieb ganz. Don Memè hielt sich unter Kontrolle, ging ins Haus, trank noch ein Glas von dem guten Wein, kam heraus, lud die Trommel, zählte zwanzig Schritt und schoß. Der Krug zitterte nicht einmal. Don Memè ging wieder ins Haus, trank noch ein Glas von dem guten Wein, kam heraus, lud die Trommel, zählte zehn Schritte und schoß. Der einzige Schaden, den er anrichtete, war, daß er eine Katze umlegte, die etwa zehn Meter vom Wasserkrug entfernt auf dem Mäuerchen gesessen hatte. Don Memè, der innerlich zitterte, Nerven, Muskeln, Hirn, Adern, Blut, alles in ihm zitterte, ging zum Brunnen, nahm einen Eimer Wasser, goß ihn sich über den Kopf, wobei er klatschnaß wurde, lud wieder und nahm das Ziel scharf ins Visier.
     Er hatte einen roten Schleier vor den Augen. Als der Schleier verschwunden war, war der Krug kein Krug mehr, sondern Padre Carnazza persönlich, und die Henkel waren zwei in die Hüften gestemmte Arme. Er schrie und schoß, die sechs

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