Untitled
Advokat Fasùlo…«
»Der ist ein frommer Mann, wie ich schon gesagt habe, großzügig… Er hatte die Befürchtung, daß sich unter Bendicòs Papieren kompromittierende Briefe und Billetts befinden könnten… Er wollte auf keinen Fall, daß die arme Witwe Bendicò zusätzlich zu dem Schmerz über den Verlust ihres Gatten noch weiteres Leid ertragen müßte.«
Der erzählte Geschichten, soviel war klar. Aber Giovanni wollte, zumindest für den Augenblick, nicht weiter nachfragen.
»Ich danke Ihnen, Signor Präsident.« Commendatore La Pergola konnte einen Seufzer der Erleichterung nicht unterdrücken.
»Bovara, ich will Ihnen noch sagen, daß ich für elf Uhr heute vormittag Ihre Unterinspekteure einbestellt habe.«
Sobald er ihn auf dem Korridor auftauchen sah, stand Caminiti auf und ging ihm entgegen.
»Küßdiehand.«
»Hört zu, Caminiti, wenn Ihr mich grüßen wollt, dann sagt ganz einfach nur Guten Tag oder Guten Abend.«
»Wie Euer Ehren will«, sagte der Amtsdiener kalt.
»Seid Ihr jetzt beleidigt?«
»Aber ja doch, mein Herr, Sie haben mich beleidigt! Das bedeutet doch, daß Euer Ehren keinerlei persönlich gemeinte Worte an mich richten will! Guten Tag und Guten Abend sagt man zu einem Fremden!«
»In Ordnung, Caminiti, tun Sie's, wie Sie's für richtig halten.«
Er wollte gerade das Büro betreten, blieb aber erstaunt an der Türe stehen.
»Jeden Montag morgen um sechs kommen die Frauen zum Saubermachen«, erklärte Caminiti, der dicht hinter ihm stand. »Heute morgen bin auch ich gekommen, weil ich Angst hatte, die Frauen könnten die Papiere wegbringen, die Euer Ehren interessieren. Ich habe sie auf den Schreibtisch legen lassen.«
Der Balkon glänzte, die Fenster auch. Sie hatten sogar das Holz des Schreibtischs poliert, da war kein Stäubchen auf den Aktendeckeln der Vorgänge.
»Ich danke Ihnen«, sagte Giovanni und schloß die Türe hinter dem Amtsdiener. Er setzte sich und zog Bendicòs Papiere zu sich heran. Darunter befand sich eine große, ziemlich schlecht ausgeführte Zeichnung der Provinz, auf der aber alle zweiundachtzig Mühlen, unterteilt nach Distrikten, eingezeichnet waren. Mit Tinte war in jedem Distrikt auch der Name des zuständigen Unterinspekteurs eingeschrieben: das würde für ihn hilfreich sein, wenn seine Untergebenen bei ihm zum Bericht erscheinen würden. Er bemerkte, daß bei jeder noch so leichten Bewegung der Schreibtisch anfing zu wackeln, und so beugte er sich hinunter, um nachzusehen, was der Grund dafür war: eines der beiden rechten Beine, das vordere, das sich unmittelbar bei ihm befand, war deutlich kürzer als das andere. Und tatsächlich entdeckte er ein mehrfach gefaltetes Stück Papier, das dazu diente, den Schreibtisch im Gleichgewicht zu halten, bei den Reinigungsarbeiten wohl unabsichtlich verrückt worden war. Er kniete sich hin und versuchte, das Stück Papier erneut unter das Bein zu schieben, doch ohne Erfolg. Man mußte es anders falten, durch die Feuchtigkeit des aufgewischten Bodens war es gewissermaßen aufgequollen. Er faltete es auseinander und bemerkte, daß es sich um eine Landkarte der Provinz handelte, in allem identisch mit der, die er kurz zuvor auf die Seite gelegt hatte, nur daß in dieser die kleinen Vierecke, die die Mühlen darstellten, von kleinen, mit Farbstift eingezeichneten Kreisen umgeben waren, einige rot, andere blau. Was hatte das zu bedeuten? Eine Bedeutung hatte das doch ganz sicher. Er nahm irgendein Stück Papier und stopfte es unter das kürzere Bein. Die Landkarte legte er auf den Schreibtisch, strich sie mehrmals mit der Handfläche glatt und begann, sie sich genau anzusehen. Um Viertel nach elf hörte er es klopfen. Er faltete die Karte zusammen und legte sie in die mittlere Schublade seines Schreibtischs. »Herein.«
»Die Unterinspekteure wären da«, sagte Caminiti mit nur halb hereingestecktem Kopf. »Nur einer fehlt noch, aber der ist krank.«
»In Ordnung, laßt sie hereinkommen«, sagte Giovanni und stand auf.
Er hatte erwartet, daß sie gruppenweise eintreten würden, statt dessen erschienen sie einer nach dem anderen, wobei sie eine strenge alphabetische Ordnung einhielten.
»Abbate Nicola.«
Eine Art Zwerg mit unglaublich großem Kopf.
»Abbate Pietro.«
Noch ein Zwerg, mit stecknadelgroßem Kopf. »Seid ihr Brüder?« fragte Giovanni unvermittelt. »Nein«, sagte Zwerg Pietro, rückte von Zwerg Nicola einen Schritt ab und betrachtete diesen mit
Weitere Kostenlose Bücher